EuGH: Obligatorisches Erfordernis eines steuerlichen Vertreters im Tätigkeitsland verstößt gegen europäische Dienstleistungsfreiheit

Versicherungsunternehmensrecht
Dienstleistungsfreiheit
Obligatorisches Erfordernis eines steuerlichen Vertreters im Tätigkeitsland verstößt gegen europäische Dienstleistungsfreiheit
Richtlinie 2003/41/EG Art. 1; Richtlinie 77/999/EWG Art. 1; Richtlinie 2008/55/EG Art. 1; AEUV Art. 56; AEUV Art. 57; EWR-Abkommen Art. 36
* Das Königreich Spanien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 56 AEUV verstoßen, dass es die Bestimmungen von Art. 46 Buchst. c Real Decreto Legislativo 1/2002, por el que se aprueba el texto refundido de la Ley de Regulación de los Planes y Fondos de Pensiones (Königliches Gesetzesdekret 1/2002 zur Billigung der Neufassung des Gesetzes zur Regelung der Rentenpläne und Pensionsfonds) vom 29. 11. 2002 und Art. 86 Abs. 1 Real Decreto Legislativo 6/2004, por el que se aprueba el texto refundido de la Ley de ordenación y supervisión de los seguros privados (Königliches Gesetzesdekret 6/2004 zur Billigung der Neufassung des Gesetzes über Organisation und Kontrolle der Privatversicherung) vom 29. 10. 2004 erlassen hat, nach denen in einem anderen Mitgliedstaat als im Königreich Spanien ansässige Pensionsfonds, die in diesem Mitgliedstaat betriebliche Rentenpläne anbieten, sowie Versicherungsgesellschaften, die in Spanien im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs tätig sind, zur Beauftragung eines steuerlichen Vertreters mit Sitz in diesem Mitgliedstaat verpflichtet sind.*
EuGH, Urteil vom 11.12.2014 (Rs C-678/11) (Kommission ./. Spanien)

(abgedr. in VersR 2016, 593)

LG München I: Versicherungscheck im Internet: Vergleichsportal muss nachbessern

Versicherungscheck im Internet: Vergleichsportal muss nachbessern: Die 37. Zivilkammer des LG München I hat mit heute verkündetem Urteil (37 O 15268/15) der Klage eines Verbands von Versicherungskaufleuten gegen ein Internet-Vergleichsportal gestützt auf das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb teilweise stattgegeben.

Der Kläger hat beanstandet, dass die Beklagte – die für den Versicherungsbereich des Vergleichsportals zuständig ist und den Rechner für die Versicherungsvergleiche betreibt – bei ihrem Internetauftritt nicht ausreichend darauf hinweist, dass sie als Versicherungsmaklerin tätig ist.
Das Gericht hat in seiner heutigen Entscheidung festgestellt, dass die Beklagte gegen ihre gesetzlichen Mitteilungspflichten verstößt, da sie die vorgeschriebenen Angaben – wie insbesondere über ihre Eigenschaft als Versicherungsmaklerin – nur zum Abruf über einen Button in der Fußzeile ihrer Webseite mit der Aufschrift „Erstinformation“ bereit hält. Nach der gesetzlichen Regelung (§ 11 VersVermV) müssen die vorgeschriebenen Informationen dem Besucher der Internetseite jedoch beim ersten Geschäftskontakt mitgeteilt werden; das bedeutet, sie müssen ihm so präsentiert werden, dass er nicht erst danach suchen muss.

Des Weiteren hat das Gericht in dem Urteil klargestellt, dass die gesetzlich normierten Beratungspflichten (§ 61 VVG) auch für Onlinemakler gelten. Die Beklagte hatte argumentiert, dass der Gesetzgeber die Direktversicherer von den Beratungspflichten entbunden hat, wenn der VN eine Versicherung nur über das Internet abschließen will. Diese für die Versicherer gesetzlich geregelte Ausnahme sollte nach Auffassung der Beklagten auch für die Versicherungsmakler gelten. Die 37. Zivilkammer hat es jedoch abgelehnt, diese Ausnahme von den Beratungspflichten auch auf Versicherungsmakler zu erstrecken, da ein entsprechendes Versehen des Gesetzgebers nicht erkennbar ist und auch die Interessenlage nicht vergleichbar ist. Außerdem kann auch im Internet eine Beratung stattfinden, wenn die Fragen an den Versicherungsinteressenten entsprechend ausgewählt werden und das Angebot von Versicherungsverträgen nach den Antworten auf diese Fragen ausgerichtet wird.

Ferner ist die Kammer zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagte in einzelnen, von dem Kläger beanstandeten Fällen ihrer Beratungspflicht nicht ausreichend nachgekommen ist. So werden bei der Haftpflichtversicherung beispielsweise ehrenamtliche Tätigkeiten nur teilweise vom Versicherungsschutz umfasst. Vor dem Hintergrund, dass ehrenamtliche Tätigkeiten in zahlreichen Bereichen zum gesellschaftlichen Alltag gehören, bedarf diese Frage daher einer Abklärung. Da die Beklagte eine Befragung in dieser Richtung nicht durchführt, liegt hierin eine Verletzung der im VVG statuierten Beratungspflicht (§ 61 VVG). Soweit der Kläger außerdem abstrakt angebliche Verstöße der Beklagten gegen die Beratungspflichten gerügt hat, hat die Kammer die Anträge aus prozessualen Gründen als zu unbestimmt abgewiesen.

LG München I, Urteil vom 13.7.2016 (37 O 15268/15); die Entscheidung ist nicht rechtskräftig)

Pressemitteilung 03/16 vom 13.7.2016

OVG Münster: Kontaktdermatitis gegen Tonerstaub ist kein Dienstunfall

Ein Finanzbeamter aus L. ist mit seinem Begehren, eine Kontaktdermatitis gegen Tonerstaub als Dienstunfall anerkannt zu bekommen, auch beim OVG gescheitert.

Der Kläger war zunächst Sachbearbeiter, anschließend Sachgebietsleiter in verschiedenen Finanzämtern des Landes Nordrhein-Westfalen. Er machte geltend, durch Tonerstaub aus Laserdruckern an einer Kontaktdermatitis erkrankt zu sein. Der Tonerstaub befinde sich sowohl in der Raumluft der Finanzämter als auch auf den dort zu bearbeitenden Schriftstücken. Die Oberfinanzdirektion lehnte eine Anerkennung der Erkrankung als Dienstunfall ab. Die dagegen gerichtete Klage hatte beim VG keinen Erfolg. Den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung lehnte das OVG durch Beschluss vom 8.7.2016 ab.

Zur Begründung hat der 3. Senat im Wesentlichen ausgeführt: Erforderlich sei nicht nur eine Gefahr der Erkrankung, sondern dass der Beamte dieser Gefahr besonders ausgesetzt sei. Die besondere Gefährdung müsse für die dienstliche Verrichtung des Beamten typisch sein und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung bestehen. Erforderlich sei mithin zweierlei. Zum einen müsse die konkrete dienstliche Tätigkeit ihrer Art nach eine hohe Wahrscheinlichkeit gerade der konkreten Erkrankung beinhalten. Diese Wahrscheinlichkeit müsse zum anderen deutlich höher sein als bei der übrigen Bevölkerung. Für beides seien die vom Kläger angeführten Quellen unergiebig. Zwar möge sich aus ihnen ergeben, dass Tonerstaub eine Kontaktdermatitis verursachen könne. Doch folge aus ihnen weder, dass die Tätigkeit im Innendienst eines Finanzamtes eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung an einer Kontaktdermatitis mit sich bringe, noch, dass diese Wahrscheinlichkeit wesentlich höher sei als in anderen Berufen wie etwa bei Friseuren.

Der Beschluss des OVG ist unanfechtbar.

OVG Münster, Beschluss vom 8.7.2016 (3 A 964/15)

Pressemitteilung vom 12.7.2016

BGH: Haftung der Fluggesellschaft bei Nichtbeförderung von Reisegepäck wegen angeblichen Verstoßes gegen Luftsicherheitsvorschriften

Transportrecht
Luftbeförderungsvertrag
Haftung der Fluggesellschaft bei Nichtbeförderung von Reisegepäck wegen angeblichen Verstoßes gegen Luftsicherheitsvorschriften
MÜ Art. 19; BGB §§ 241, 280, 281
* 1. Werden Reisende, Reisegepäck oder Güter nicht zum Bestimmungsort befördert, stellt dies keinen Fall der Verspätung bei der Luftbeförderung i. S. v. Art. 19 MÜ dar. *
* 2. Sollen vor einer Luftbeförderung Reisegepäckstücke eines Fluggastes vom Transport ausgenommen werden, weil sie nach den Luftsicherheitsvorschriften möglicherweise nicht mittransportiert werden dürfen, trifft das Luftfahrtunternehmen grundsätzlich die vertragliche Pflicht, auf die Hinzuziehung des Fluggastes hinzuwirken, um ihm Gelegenheit zur Aufklärung zu schaffen. *
BGH, Urteil vom 13. 10. 2015 (X ZR 126/14, LG Landshut)

(abgedr. in VersR 2016, 347)

OGH: Kein Anspruch des Haftpflichtversicherers eines (Mit-)Schädigers nach dem Grüne-Karte-System gegen den Versicherungsverband

Auslandsrecht (Österreich)
Kfz-Haftpflichtversicherung
Kein Anspruch des Haftpflichtversicherers eines (Mit-)Schädigers nach dem Grüne-Karte-System gegen den Versicherungsverband
KHVG § 26
* Ein ausgleichsberechtigter Mitschädiger ist kein „geschädigter Dritter“ i. S. d. § 26 KHVG. Ihm steht kein Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Ausgleichspflichtigen zu. *
OGH, Urteil vom 21. 10. 2015 (2 Ob 35/15 h)

(abgedr. in VersR 2016, 881)