Prof. Dr. Stefan Thomas, Haftungs- und Versicherungsrecht bei Kartellverstößen

Das Kartellrecht wird zurzeit von zwei Entwicklungslinien geprägt, die zu spezifischen haftungsrechtlichen und versicherungsrechtlichen Folgefragen führen. Dies ist zum einen eine Verschärfung der Sanktionsinstrumente. Hierzu gehört die Geltendmachung von Kartellschäden. Dazu gehört ferner und vor allem aber eine Verschärfung des Kartellbußgeldrechts. Unternehmensbezogene Geldbußen können bis zur Höhe von 10 % des Konzernumsatzes verhängt werden. Nach geltendem deutschem Recht bezieht sich die Bußgeldpflicht noch auf diejenige juristische Person, deren Management gehandelt hat. Durch die 9. GWB-Novelle soll künftig analog zu den Grundsätzen, die die EU-Kommission im Rahmen der Verordnung 1/2003 praktiziert, eine bußgeldrechtliche Konzernhaftung gelten. Das bedeutet: Muttergesellschaften werden bußgeldrechtlich zur Verantwortung gezogen, auch wenn deren Management weder durch eigene Beteiligung noch durch Aufsichtspflichtverletzung an der Zuwiderhandlung einer Tochtergesellschaft beteiligt war. Kartellbußen werden in rechtstatsächlicher Hinsicht immer höher. Die EU-Kommission hat bereits Sanktionen von über 1 Mrd. Euro verhängt, und auch das Bundeskartellamt zieht nach.
Die andere Entwicklungslinie lässt sich dahin gehend zusammenfassen, dass in der europäischen und deutschen Gesetzgebung und wissenschaftlichen Diskussion im Wesentlichen auf das Unternehmen als Sanktionsadressaten abgestellt wird. Während andere Jurisdiktionen, wie etwa die USA oder das UK, Haftstrafen für Manager bei Kartellzuwiderhandlungen vorsehen, sprechen sich die EU-Kommission und das Bundeskartellamt für ein Festhalten an unternehmensbezogenen Bußgeldsanktionen aus.
Die beiden aufgezeigten Entwicklungslinien bedeuten, dass extrem hohe Unternehmenssanktionen und Schadensersatzfolgen adressatenseitig auf juristische Personen treffen und sich dort die Frage der gesellschaftsrechtlichen Binnenverantwortlichkeit stellt. Ihr wird im Rahmen der Diskussion über kartellrechtliche Sanktions- und Haftungsfolgen wenig Beachtung geschenkt, weil man vielfach das Unternehmen bzw. die wirtschaftliche Einheit als Täter begreift. Das Gesellschaftsrecht zwingt jedoch, zu entscheiden, inwieweit Organe oder Mitarbeiter für diese Kartellfolgen verantwortlich sind. Hierüber kommt dann auch das Versicherungsrecht ins Spiel, namentlich durch die D&O-Versicherung. Die damit zusammenhängenden Fragen bilden den Hauptteil des Aufsatzes von Prof. Dr. Stefan Thomas, wobei zur Vereinfachung die Vorstandshaftung nach Aktienrecht als Beispiel dient.

(Der vollständige Aufsatz ist abgedr. in VersR 2017, 596)