Dr. Michael Fischer über die Haftung für Schockschäden vor dem Hintergrund der gesetzlichen Neuregelung eines Angehörigenschmerzensgeldes

Die Haftung für Schockschäden hat sich in Deutschland schon seit längerer Zeit für die Konstellation etabliert, in der ein naher Angehöriger, das Sekundäropfer, erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen bei dem Erhalt einer Nachricht des Todes des Primäropfers erleidet. Danach wird in solchen Fällen eine deliktische Haftung gem. § 823 Abs. 1 BGB gegen den Verursacher der Verletzung des Primäropfers angenommen, wenn das Sekundäropfer an seiner Gesundheit verletzt wurde. Nach § 249 Abs. 1 BGB hat der Schädiger gegenüber dem Sekundäropfer Naturalrestitution für alle materiellen und immateriellen Schäden zu leisten. Materielle Schadenspositionen sind hier vor allem Heilbehandlungskosten und Verdienstausfall. Zudem kann das schockgeschädigte Opfer für seine eigene Gesundheitsverletzung ein Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB verlangen.
In vielen europäischen Ländern gibt es ein eigenständiges gesetzliches Angehörigenschmerzensgeld, das trauernden Angehörigen einen Anspruch gegen den Verursacher des Todes auf Ausgleich ihrer psychischen Beeinträchtigungen gewährt, die sie durch den Tod der geliebten Person erlitten haben. Im Koalitionsvertrag von 2013 haben nun auch die Regierungsparteien beschlossen, ein Angehörigenschmerzensgeld in das BGB aufzunehmen.
Vor diesem Hintergrund beleutet Dr. Michael Fischer in seinem Aufsatz die bisherige Rechtsprechung zur Haftung für Schockschäden und geht der der Frage nach, inwiefern die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze die Funktion eines Angehörigenschmerzensgeldes aufweisen.

Zu diesem Zweck sollen zum einen die rechtsgeschichtliche Entwicklung der Haftung für Schockschäden, zum anderen einzelne Elemente der Haftung wie etwa die Anforderungen an die Gesundheitsverletzung, der Kreis der ersatzberechtigten Anspruchsteller, das verletzte Rechtsgut des Primäropfers sowie die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Primäropfers auf den Anspruch des Sekundäropfers untersucht werden. Schließlich soll der bereits vorliegende Gesetzentwurf dahin gehend überprüft werden, ob er eine eigenständige Neuregelung beinhaltet oder lediglich eine Kodifizierung der von der Judikatur geschaffenen Rechtsgrundsätze darstellt.

(abgedr. in VersR 2016, 1155)