VersR BLOG: Viel Lärm um (fast) nichts – Die Folgen unwirksamer Prämienanpassungen in der PKV

Es ist in den vergangenen Jahren viel gestritten worden um die Prämienanpassung in der PKV. Erst ging es um die Unabhängigkeit oder vielmehr die Abhängigkeit des Treuhänders (BGH v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17, VersR 2019, 283), dann ging es um die Wirksamkeit einer Prämienanpassung (BGH v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19, VersR 2021, 240) und am Ende ging es um die Frage, ob der Krankenversicherer entreichert ist, wenn er Anteile der zu Unrecht empfangenen Prämie für den genossenen Versicherungsschutz verwandt hat und/oder dem VN für die Alterungsrückstellung, den Beitragszuschlag gem. § 149 S. 1 VAG und für die Zuschläge nach §§ 7 und 8 KVAV gutgeschrieben hat (BGH v. 21.9.2022 – IV ZR 2/21, VersR 2022, 1414).

Der BGH hat eine solche Entreicherung verneint und dabei zunächst festgestellt, dass der Versicherungsvertrag auch bei unwirksamer Erhöhungsforderung fortbestehe und sich deswegen am versprochenen Versicherungsschutz nichts ändere. Nur wenn die „freiwerdenden Mittel (…) ersatzlos verbraucht“ seien, nachdem der Bereicherungsschuldner damit eigene Verbindlichkeiten getilgt habe, könne eine Entreicherung eintreten. Also nur, wenn also die ungerechtfertigte Mehreinnahme vollständig für Schäden verbraucht sei; das aber würde die Beklagte selbst nicht behaupten. Dann stellt der BGH (VersR 2022, 1414) fest, durch „den Verweis auf die aufsichtsrechtlichen Vorschriften zur Prämienkalkulation in § 203 Abs. 1, Abs. 2 S. 4 VVG [habe] der Gesetzgeber zwar den materiellen Kern dieser Bestimmungen im Vertragsrecht abgebildet (vgl. BGH v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 = VersR 2019, 283; BGH v. 16.6.2004 – IV ZR 117/02, VersR 2004, 991)“, aber § 203 Abs. 5 VVG enthalte „eine versicherungsvertragliche Regelung zum Wirksamwerden der Prämienanpassung im Verhältnis zum einzelnen VN, die nicht von den aufsichtsrechtlichen Vorschriften zur Prämienkalkulation verdrängt“ werden könne. Auch mit Billigkeitserwägungen könne der „Bereicherungsanspruch des Klägers nicht eingeschränkt werden“. Das ginge nur, wenn der Schutzzweck der Norm, auf deren Anwendung die Unwirksamkeit der Verträge beruht, eine etwaige Rückabwicklung verhindern wolle. Das aber sei „hier (…) nicht der Fall. Die Vorschrift über das Wirksamwerden der Prämienanpassung in § 203 Abs. 5 VVG [diene] dem Informationsrecht des VN (BGH v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19, VersR 2021, 240 Rz. 44) und nicht einem Interesse des Versicherers – oder auch des Versichertenkollektivs – am Behaltendürfen nicht geschuldeter Prämien“. Mit anderen, einfacheren Worten: die Kalkulationsvorgaben des Aufsichtsrechts können die zivilrechtlichen Vorgaben für eine wirksame Prämienanpassung nicht verdrängen.

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VersR BLOG: Jott & Pott – Echte Freunde stehen zusammen

Das muss man Nicht-Rheinländern erst mal erklären. Die Karnevalsband „De Höhner“ hatte 2008 einen Hit mit dem Titel „Echte Fründe“, die „zusameston su wie ene Jott un Pott“; übersetzt soll das heißen, dass wahre Freunde zusammenhalten wie Pech und Schwefel. Das wird man von den beiden Herren, die sich als Vorsitzende des 1. und des 3. Zivilsenats des OLG Bamberg nicht über die Zuständigkeit ihrer Senate einigen konnten, nicht sagen können. Vielmehr ist hier eine Entlehnung aus der Fußballersprache angezeigt: Echte Freunde werden die nicht mehr. Weiterlesen…

VersR BLOG: Als das Wünschen nicht mehr geholfen hat – Wie das Gendern zur Pflicht wurde

Der Vorsitzende Richter hatte es auf den Punkt gebracht: „Der Gendergap muss weg“, so wurde das Petitum des VW-Mitarbeiters Alexander B. gegen die Fa. Audi auf die einfachst mögliche Weise zusammengefasst. Dieser klagt gegen Audi vor dem LG Ingolstadt gegen die Belästigung durch inklusive Sätze wie „Der_die BSM-Expert_in ist qualifizie_r Fachexpert_in … .“ (83 O 1394/21). Ein Urteil ist am 29.7.2022 gefällt worden und es ist gegen den Kläger ausgefallen, obwohl die Kammer einen von der Stimme der Vernunft getragenen Einigungsvorschlag („dann schreiben Sie ihm doch halt normal“) unterbreitet hatte, der auf ein anderes Ergebnis hoffen ließ. Weiterlesen…

VersR BLOG: Bäumchen, Bäumchen wechsel dich

Die richtige Seitenwahl ist entscheidend

Das OLG Nürnberg hatte sich mit einer heiklen Frage zu befassen. Ein Streit zwischen einem Rennrad- und einem Autofahrer war eskaliert. Der Rennradfahrer behauptete, der Autofahrer habe ihn vorsätzlich zu Fall gebracht, aus Ärger darüber, dass er ihn bei der Einfahrt in einen Kreisverkehr überholt habe. Der Haftpflichtversicherer teilte die Einschätzung des Radfahrers und versagte seinem VN die Deckung wegen Vorsatz. Sodann trat er dem Rechtsstreit auf Seiten des Radfahrers bei. Das OLG Nürnberg hat ein rechtliches Interesse des Versicherers, auf Seiten des den Vorsatz behauptenden Geschädigten dem Prozess beizutreten, bejaht (VersR 2022, 815). Begründung: Der Versicherer habe ein Interesse, prozessual darauf hinzuwirken, dass seine Deckungsablehnung Bestand habe. Versicherungsvertragliche Treue- und Rücksichtnahmepflichten seien in solchen Fällen suspendiert. Weiterlesen…

VersR BLOG: Sex in the City

Wie der Begriff Verkehrshaftung vollkommen neue Dimensionen gewinnt

Eine Dame aus Missouri hatte sich beim ungeschützten Sex in einem Hyundai Genesis mit dem Papillomavirus angesteckt und dafür von GEICO, dem Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs, 5,2 Mio. US-$ verlangt. Und durch einen in I. Instanz von einem staatlichen Gericht bestätigten Schiedsspruch auch zugesprochen bekommen. Der „fahrlässig verursachte Psychostress“ habe seinen Ausgang in dem bei GEICO versicherten Genesis genommen und das rechtfertige den Anspruch, auch dessen Höhe und auch gegen den Versicherer. Das kann man jetzt als eine typische amerikanische Räuberpistole abtun wie die Fälle, für die regelmäßig der Stella-Award vergeben wird (benannt nach der berühmten Stella Liebeck, die McDonald‘s für einen [zu] heißen Kaffee erfolgreich verklagt hatte, nachdem dieses zwischen ihren Schenkeln aufbewahrte Heißgetränk bei einem etwas ruckelnden Anfahren das verbrüht hatte, was die Amerikaner so delikat die privat parts nennen). Weiterlesen…