BGH entscheidet zu Beratungspflichten einer Bank bei Abschluss eines strukturierten Darlehens

Der u.a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des BGH hat sich mit den Aufklärungspflichten einer Bank beschäftigt, die ihrem Kunden im Rahmen einer Finanzierungsberatung den Abschluss eines im Hinblick auf die Zinsen wechselkursbasierten Darlehensvertrags empfiehlt.

Sachverhalt:

Die Kl., eine Gemeinde in Nordrhein-Westfalen mit rd. 18.000 Einwohnern, und die bekl. Bank schlossen im Juni 2007 zur Ablösung eines noch laufenden Darlehens einen Darlehensvertrag über etwas mehr als 3 Mio. Euro bei einer Laufzeit von 38 Jahren ab. In den ersten 20 Jahren sollte der Zinssatz 3,99% p.a. betragen, wenn der Wechselkurs des Euro zum Schweizer Franken (CHF) größer oder gleich 1,43 war. Sobald der Euro unter diese Grenze fiel, sollte der jährliche Zinssatz 3,99% zuzüglich der Hälfte der Wechselkursänderung zu 1,43 betragen, wobei sich nach den vertraglichen Vereinbarungen die „Wechselkursänderung, dargestellt in Prozent, … aus der Division des Referenzwechselkurses von 1,43 CHF für 1 Euro und dem am Feststellungstag veröffentlichten Wechselkurs des Euro in Schweizer Franken, minus 1“ errechnen sollte. Dem Vertragsschluss waren mehrere Beratungsgespräche zwischen den Parteien vorausgegangen, in denen die Bekl. der Kl. als weitere Möglichkeiten einer Umschuldung eine Fortführung des bestehenden Darlehens zu aktuellen Konditionen und eine Finanzierung in Schweizer Franken zu etwas höheren festen Zinsen (als in dem letztendlich abgeschlossenen Darlehensvertrag) für die gesamte Laufzeit vorgestellt hatte.

In den Präsentationen für den streitgegenständlichen Darlehensvertrag wies die Bekl. u.a. darauf hin, dass die Schweizerische Nationalbank bei einer Aufwertung des Schweizer Franken eine Nullzinspolitik verfolge und die Schwelle von 1 Euro zu 1,45 CHF deren Interventionspunkt sei. Außerdem enthielt die Präsentation eine Tabelle, die für Wechselkurse von 1,39 bis 1,65 den jeweiligen Zinssatz aufwies. Dieser war für Kurse von 1,43 bis 1,65 mit 3,99% angegeben und stieg ab einem Kurs von 1,42 bis zu einem Kurs von 1,39 schrittweise von 4,34% auf 5,43% an. Zwischen den Kursen von 1,43 und 1,42 war ein fettgedruckter Trennstrich eingezeichnet mit dem Hinweis „Barriere“. Zu dem Wechselkurs von 1,44 erfolgte der Hinweis „Niedrigstes historisches Niveau“, zu dem Wechselkurs von 1,45 der Hinweis „Untere Schwelle des Zielkorridors der SNB“. Über dem Wechselkurs von 1,64 befand sich der Hinweis „Aktuelles Niveau“. In der Folgezeit wertete der Schweizer Franken stark auf, sodass die von der Kl. zu zahlenden Zinsen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zuletzt 18,99% p.a. betrugen. Die Kl. ist der Ansicht, dass der Darlehensvertrag sittenwidrig und damit nichtig sei. Außerdem sei sie von der Bekl. insbesondere im Hinblick auf das Wechselkursrisiko nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden.

Bisheriger Prozessverlauf:

Mit der Klage verlangt die Kl. die Rückzahlung der an die Bekl. geleisteten Zinsen und wendet sich gegen die weitere Inanspruchnahme aus dem Darlehensvertrag. Die Bekl. begehrt im Wege der Widerklage die Zahlung rückständiger Zinsen. Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage im Wesentlichen stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben.

Die Entscheidung des BGH:

Auf die vom KG zugelassene Revision der Kl. hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das KG zurückverwiesen.

Dabei hat der BGH die Auffassung des Berufungsgerichts bestätigt, dass der Darlehensvertrag nicht nach § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist. Nach den unangegriffenen Feststellungen des Kammergerichts lag zu dem für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses der vertragliche Zinssatz unterhalb des Marktzinses; bei anderer Entwicklung des Wechselkurses hätte sich die Kl. besser gestellt als bei Fortführung des umgeschuldeten Darlehens.

Dagegen hat der BGH anders als die Vorinstanzen eine zum Schadensersatz verpflichtende Aufklärungspflichtverletzung der Bekl. bejaht. Nach der Rechtsprechung des Senats trifft die Bank bei einem – wie hier zustande gekommenen – Finanzierungsberatungsvertrag gegenüber dem Darlehensnehmer die Verpflichtung zur Aufklärung über die spezifischen Nachteile und Risiken und die vertragsspezifischen Besonderheiten der empfohlenen Finanzierungsform. Diese Pflicht hat die Bekl. verletzt. Die Abhängigkeit von Wechselkurs und Zinshöhe war zwar aus dem Vertrag ohne Weiteres erkennbar. Die Bekl. hat aber in den Präsentationsunterlagen die Risiken der von der Kl. übernommenen wechselkursbasierten Zinszahlungsverpflichtung nicht hinreichend deutlich gemacht, indem sie weder auf das Fehlen einer Zinsobergrenze ausdrücklich hingewiesen noch im Hinblick auf die lange Laufzeit des Darlehens die zinsrelevanten Folgen einer nicht nur unerheblichen Aufwertung des Schweizer Franken gegenüber dem Euro ausreichend deutlich beschrieben hat. Ganz im Gegenteil hat sie das Wechselkursrisiko durch die deutlich hervorgehobenen Hinweise auf die Politik der Schweizerischen Nationalbank und das Wechselkursniveau der vergangenen Jahre im Hinblick auf die lange Laufzeit des Darlehens verharmlost und diesen Eindruck durch die einseitige Darstellung der Vorteile des empfohlenen Darlehens im Vergleich zu einer Fortführung des bestehenden Darlehens noch verstärkt.

Nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache wird das Berufungsgericht auf der Grundlage der Rechtsausführungen des BGH die erforderlichen weiteren Feststellungen zu treffen haben. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Schadenshöhe. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigt eine Aufklärungspflichtverletzung aus einem Finanzierungsberatungsvertrag eine Rückabwicklung des Darlehensvertrags grundsätzlich nicht. Vielmehr führt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH hier eine Aufklärungspflichtverletzung lediglich zu einem Anspruch auf Ersatz der durch die gewählte Finanzierung entstandenen Mehrkosten.

BGH, Urteil vom 19.12.2017 (XI ZR 152/17)

(Pressemitteilung des BGH Nr. 197 vom 19.12. 2017)