VersR BLOG: Sex in the City

Wie der Begriff Verkehrshaftung vollkommen neue Dimensionen gewinnt

Eine Dame aus Missouri hatte sich beim ungeschützten Sex in einem Hyundai Genesis mit dem Papillomavirus angesteckt und dafür von GEICO, dem Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs, 5,2 Mio. US-$ verlangt. Und durch einen in I. Instanz von einem staatlichen Gericht bestätigten Schiedsspruch auch zugesprochen bekommen. Der „fahrlässig verursachte Psychostress“ habe seinen Ausgang in dem bei GEICO versicherten Genesis genommen und das rechtfertige den Anspruch, auch dessen Höhe und auch gegen den Versicherer. Das kann man jetzt als eine typische amerikanische Räuberpistole abtun wie die Fälle, für die regelmäßig der Stella-Award vergeben wird (benannt nach der berühmten Stella Liebeck, die McDonald‘s für einen [zu] heißen Kaffee erfolgreich verklagt hatte, nachdem dieses zwischen ihren Schenkeln aufbewahrte Heißgetränk bei einem etwas ruckelnden Anfahren das verbrüht hatte, was die Amerikaner so delikat die privat parts nennen).

Aber das kann ohne weiteres und vor allem ohne den Verschuldensvorwurf auch hier in Deutschland passieren. § 7 Abs. 1 StVG bestimmt, dass der Halter und damit natürlich in der Regel auch sein Versicherer verpflichtet sind, den „daraus entstehenden Schaden“ zu ersetzen, wenn „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs … der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt wird“. Diese Gefährdungshaftung wird durch das „in den Verkehr bringen“ gerechtfertigt, wenn auch hier das Fahrzeug und nicht dessen Insassen gemeint ist. Die einzelnen Segmente des oben geschilderten Sachverhalts können überzeugend unter die einzelnen Anspruchsvoraussetzungen dieser Norm subsumiert werden. Zunächst muss der Schaden „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entstanden sein. Nicht durch den Betrieb. Und was könnte betriebsamer sein als die geschlechtliche Vereinigung zweier Menschen in einem Pkw? Dabei ist nicht nur an die Tat als solche zu denken, sondern auch an die vorbereitenden Handlungen. Auch demjenigen, dem einschlägige Erfahrungen auf dem fraglichen Gebiet bisher versagt (oder vielleicht eher vorenthalten) worden sind, erschließt sich leicht, auf wie vielfältige Weise im Kfz hantiert werden muss, es also durchaus im engeren Sinne betrieben wird, um die idealen Voraussetzungen für das Vorhaben zu schaffen: da müssen Fenster zwecks Sauerstoffversorgung geöffnet, da müssen Sitze verändert und Lehnen vor- oder zurückgestellt, da müssen Positionen gesucht und getestet werden, bis alles passt. Viel mehr an Betrieb ist ja fast gar nicht denkbar. Auch den Akt selber kann man sich gar nicht anders denken, als dass auch hier vielfältige Verrichtungen notwendig sind, also auch hier: intensiver Betrieb. Nicht mit dem, aber in dem Fahrzeug, aber das reicht ja: nicht durch, sondern beim Betrieb muss der Schaden entstanden sein.

Auch dass das Fahrzeug (hoffentlich) gestanden hat, hindert die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzung „beim Betrieb“ nicht. Bekanntlich kann auch das stehende Fahrzeug in Betrieb sein, sogar in Bewegung, an deren Intensität ja hier durch den Kumulbetrieb von Vorbereitung und Vollzug kein Zweifel sein kann. Und wenn der eine oder andere Purist noch fordern sollte, dass hier ein wie auch immer gearteter Bezug zum Straßenverkehr vorhanden sein muss, wird man solchem Verlangen durch den Hinweis darauf begegnen können, dass hier eine doppelte Verkehrskonnexität besteht, einmal durch die Zulassung des Fahrzeugs zum Verkehr und den Vollzug desselben eben darin. Da die Betroffene auch zu dem „geschützten“ Personenkreis zählt, auch wenn das in diesem speziellen Einzelfall wie eine contradictio in adjecto klingt, und alle andere Haftungsvoraussetzungen ohne weiteres erfüllt sind, dürfte auch nach deutschem Recht einer Anspruchsbejahung nichts mehr im Wege stehen. Eine Gesundheitsbeeinträchtigung ist ebenso ohne weiteres zu bejahen wie eine Körperverletzung. Eines Verschuldens bedarf es nicht. Deswegen hat auch ein von irgendwelchen Pedanten vielleicht eingewandtes Mitverschulden außer Betracht zu bleiben. Die Einwilligung bezog sich ja nicht auf die Papillomaviren.

Also ein uneingeschränkter Glückwunsch an die fraglichen Richter. Recht so. Damit ist allen geholfen, der Geschädigtem und auch dem Publikum. Wer braucht noch Comedy oder Kabarett? Loriot und Heinz Erhardt tot und Hallervorden schwächelt? Ganz egal, wenn das Recht so schöne Geschichten produziert und uns eine völlig neue Definition von Verkehrssicherheit beschert. Gut, dass wir die Amerikaner und ihre Vorstellungen vom Recht haben!