KG: Sturz auf frisch gewischtem Boden im Hotel – haftet der Reiseveranstalter?

Tatbestand:

Die Geschädigte buchte beim nun beklagten Reiseveranstalter eine Pauschalreise in die Türkei. Sie behauptete, im Hotel auf dem nach Putzarbeiten nassen Boden ausgerutscht zu sein und sich dabei ihren rechten Arm erheblich verletzt zu haben, sodass u. a. zwei Operationen notwendig wurden. Sie warf dem Reiseveranstalter vor, die Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten durch den Hotelbetreiber nicht hinreichend kontrolliert und dadurch eigene Verkehrssicherungspflichten missachtet zu haben und verlangte 5000 Euro Schmerzensgeld.

Ihre Klage vor dem Landgericht auf Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht bezüglich zukünftiger Schäden hatte Erfolg.

Gegen dieses Urteil legte der Reiseveranstalter Berufung ein und bekam vor dem Kammergericht (VersR 2016, 1067 VersR 2016 Heft 16) Recht. Eine so weit reichende Verkehrssicherungspflicht treffe den Reiseveranstalter nicht.

Aus den Gründen:

Die Verkehrssicherungspflicht für ein Hotel treffe in erster Linie den Hotelbetreiber. Der Reiseveranstalter habe im Rahmen der allgemeinen deliktischen Haftung daneben eine eigene Verkehrssicherungspflicht bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reisen. Sie betreffe die Auswahl und Kontrolle der Leistungsträger und die Beschaffenheit des Vertragshotels. Es seien diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Reiseveranstalter für ausreichend halten darf, um die Reisenden vor Schaden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind.

Eine anlassunabhängige Auswahl-, Überwachungs- und Kontrollpflicht des Reiseveranstalters, ob der Hotelbetreiber seinen Verkehrssicherungspflichten im Rahmen der Reinigungsarbeiten durch sein Personal nachgekommen war bestehe nicht. Die genannten Verkehrssicherungspflichten des Reiseveranstalters hinsichtlich der Hotelanlage bezögen sich in erster Linie darauf, dass die baulichen Anlagen den Sicherheitsanforderungen genügen und keine Gefahrenquellen von ihnen ausgehen. Nur soweit sich aus dem Hotelbetrieb Risiken ergeben, die über das übliche Risiko bei der Anlagennutzung hinausgehen, etwa bei Spiel-, Sport- oder Animationsveranstaltungen, könne eine stichprobenartige Überprüfung verlangt werden. Hierbei dürfe der Reiseveranstalter grundsätzlich darauf vertrauen, dass keine vermeidbaren Gefahren für Hotelgäste begründet werden. Auch insoweit hafte er aber nicht für die allgemeine Rutschgefahr bei Spiel- und Sportanlagen. Vielmehr zählten hierdurch verursachte Unfälle – jedenfalls im Verhältnis zum Reiseveranstalter – zum allgemeinen Lebensrisiko.

Nichts anderes könne bei einer möglichen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Hotelbetreibers bei den Reinigungsarbeiten gelten, hier der unterlassenen Warnung vor der Rutschgefahr durch den nach dem Wischen nassen Boden. Es entstehe erst dann eine über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehende Gefahr, deren Verwirklichung der Reiseveranstalter in geeigneter Weise entgegenzuwirken hat, wenn er hinreichende Anhaltspunkte dafür hat, dass die Reinigungsarbeiten nicht ordnungsgemäß verrichtet werden. Fehlt es an solchen Anhaltspunkten, dürfe er, weil es sich von selbst versteht und das der Regelfall ist, darauf vertrauen, dass der Hotelbetreiber in diesem Bereich seinen Pflichten nachkommt. Daher sei er von der Haftung frei.

KG, Urteil vom 19. 4. 2016 (9 U 103/15)