OLG Hamm: Unzureichende Risikoaufklärung vor Sprunggelenks-Operation – 6000 Euro Schmerzensgeld

Vor einer Versteifungsoperation des Sprunggelenks (Arthrodese) kann ein Arzt einen Patienten über das Risiko einer Pseudoarthrose aufzuklären haben. Versäumt er dies, kann das ein Schmerzensgeld i. H. v. 6000 Euro rechtfertigen. Das hat der 26. Zivilsenat des OLG Hamm am 8. 7. 2016 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des LG Arnsberg abgeändert.

Tatbestand

Im Januar 2013 suchte der im Juli 1952 geborene Kl., von Beruf Metallbaumeister und Berufskraftfahrer, die bekl. ärztliche Gemeinschaftspraxis auf. Er hatte Beschwerden im rechten oberen Sprunggelenk, das in den 1980er-Jahren nach einer Fraktur operativ versorgt worden war. In der bekl. Praxis diagnostizierte man eine Arthrose, die zunächst konservativ behandelt wurde. Nachdem die Behandlung erfolglos blieb, empfahl der behandelnde Arzt dem Kl. eine Versteifungsoperation. Diese Arthrodese ließ der Kl. im April 2013 durch den Arzt durchführen. In der Folge verwirklichte sich beim Kl. eine Pseudoarthrose, weil die gewünschte knöcherne Konsolidierung ausblieb. Hierdurch entstand eine Spitzfußstellung, die der Kl. im Januar 2014 mit einer Rearthrodese operativ behandeln ließ. Mit der Begründung, die Versteifungsoperation sei behandlungsfehlerhaft ausgeführt und er zuvor nicht ausreichend über die Operationsrisiken aufgeklärt worden, verlangte der Kläger von der bekl. Praxis Schadensersatz, u. a. ein Schmerzensgeld i. H. v. 6000 Euro.

Aus den Gründen:

Die Klage war in zweiter Instanz erfolgreich. Nach der Anhörung der Parteien und einem eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten hat der 26. Zivilsenat des OLG Hamm die bekl. Praxis aufgrund eines Aufklärungsfehlers zum Schadensersatz verurteilt. Die durchgeführte Risikoaufklärung des Kl. sei defizitär, so der Senat, weil nicht mit ausreichender Sicherheit feststellbar sei, dass der Kl. über das erhöhte Risiko einer Pseudoarthrose mit der Folge einer Schraubenlockerung informiert worden sei. Dieses Risiko habe nach den Angaben des medizinischen Sachverständigen in dem nicht unerheblichen Umfang von 14 % bestanden und sei deswegen in jedem Fall aufklärungspflichtig gewesen. Die für die Aufklärung darlegungs- und beweispflichtige Bekl. habe die gebotene Aufklärung nicht nachweisen können.

Von einer hypothetischen Einwilligung des Kl. sei – entgegen der Auffassung des LG – nicht auszugehen. Der Kl. habe plausibel dargelegt, dass er sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte. In diesem Fall hätte er sich zumindest nochmals ärztlichen Rat in einer anderen Klinik eingeholt, für die er auch bereits eine Überweisung gehabt habe. Da es sich nicht um eine Bagatelloperation gehandelt habe, sei es durchaus nachvollziehbar, dass ein Patient vor der Operation eine zweite Meinung einholen wolle.

Ausgehend von der Aufklärungspflichtverletzung sei die von der Bekl. zu verantwortende Operation des Kl. rechtswidrig. Für die mit der Operation verbundenen Schmerzen und das sich danach verwirklichte Risiko der Pseudoarthrose sei das vom Kl. verlangte Schmerzensgeld i. H. v. 6000 Euro angemessen.

OLH Hamm, Urteil vom 8. 7. 2016 (26 U 203/15)

(Pressemitteilung des OLG Hamm vom 25. 8. 2016)vor Sprunggelenksoperation