AG Charlottenburg: Nutzer eines Elektroautos genießt nicht in jedem Fall Vorrecht

Das AG Charlottenburg hat entschieden, dass der Nutzer eines Elektrofahrzeugs kein Vorrecht genießt, wenn er es an einer Ladestation in einer Privatstraße abstellt, ohne den Ladevorgang zu beginnen. Soweit deshalb das Fahrzeug abgeschleppt worden war und der Fahrer 150 Euro für die Abschleppkosten zahlen musste, um sein Fahrzeug wiederzuerlangen, besteht kein Anspruch gegen das Abschleppunternehmen, die Kosten zurückzuerstatten. Das AG wies die auf Rückzahlung der 150 Euro gerichtete Klage des betroffenen Autofahrers ab.

Der Kl. hatte ein gemietetes Elektrofahrzeug gegen 15.00 Uhr in einem Straßenabschnitt in Berlin, der zur Privatstraße umgewidmet worden und entsprechend als solche ausgeschildert war, abgestellt. In dem Straßenabschnitt hatte die Eigentümerin ein Halteverbotsschild mit dem Zusatz „Widerrechtlich geparkte Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt“ anbringen lassen; darunter war ein weiteres Schild mit dem Zusatz „Elektrofahrzeuge während des Ladevorgangs frei“ befestigt. Eine der beiden Ladestationen war bereits durch ein Fahrzeug belegt, das sich im Aufladevorgang befand; bei der zweiten – freien – Ladestation war das Kabel nicht für das von dem Kl. genutzte Fahrzeug geeignet. Dennoch stellte der Kl. das Fahrzeug auf den entsprechenden markierten Stellplatz. Als er gegen 18:30 Uhr zurückkehrte, musste er feststellen, dass sein Fahrzeug abgeschleppt worden war. Er erhielt es von dem später verklagten Abschleppunternehmen nur gegen Zahlung von 150 Euro zurück.

Der Kl. ist der Auffassung, die Eigentümerin der Privatstraße habe kostenlosen Parkraum für alle Elektrofahrzeuge anbieten wollen und er sei daher berechtigt gewesen, unabhängig von einem Ladevorgang dort zu parken. Daher erhob er Klage auf Rückzahlung der Abschleppkosten gegen das Abschleppunternehmen.

Das AG Charlottenburg erteilte diesem Begehren eine Absage. Soweit jemand ein Fahrzeug im Bereich einer Privatstraße abstelle, werde der Eigentümer dadurch in seinem Besitz beeinträchtigt und könne Schadensersatz verlangen, wenn diese Besitzstörung rechtswidrig war. Dies sei vorliegend der Fall gewesen. Die Eigentümerin habe durch die entsprechende Beschilderung zum Ausdruck gebracht, dass grundsätzlich das Parken verboten sei und sie nur als Ausnahme darin einwillige, das Parken von Elektrofahrzeugen während des Ladevorgangs auf dem Gelände innerhalb der gekennzeichneten Flächen zu dulden.

Der Kl. habe das Fahrzeug offensichtlich gegen den Willen der Eigentümerin in der Privatstraße abgestellt. Denn er habe keinen Strom bezogen oder zumindest das Fahrzeug an die Ladesäule angeschlossen. Soweit die Eigentümerin für den Zweck des Ladevorgangs eine Ausnahme hinsichtlich des Parkverbots gemacht habe, sei nicht ihr Ziel gewesen, kostenlosen Parkraum für sämtliche Elektrofahrzeuge anzubieten. Ziel dieser Ausnahmeregelung sei vielmehr gewesen, Parkraum nur für die zeitintensive Ladetätigkeit zur Verfügung zu stellen. Der Vergleich mit einer Zapfsäule für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auf einem Tankstellengelände könne herangezogen werden. Auch derjenige Autofahrer, der keine freie Zapfsäule finde, dürfe sein Fahrzeug nicht für mehrere Stunden dort parken. Denn der Tankstellenpächter dulde nur für die Zeit des Betankungsvorganges und dessen Abwicklung, dass Fahrzeuge auf dem Tankstellengelände abgestellt würden.

Indem der Kl. unberechtigt geparkt habe, sei der Eigentümerin ein Schaden in Höhe der Abschleppkosten entstanden. Zwar habe sie ihre Schadensersatzansprüche an das bekl. Abschleppunternehmen abgetreten. Dies entlaste jedoch nicht den Kl. als Schädiger.

Die Bekl. habe aufgrund des an sie abgetretenen Schadensersatzanspruchs der Eigentümerin die Abschleppkosten von 150 Euro von dem Kl. mit Rechtsgrund gefordert und sei daher zur Rückzahlung nicht verpflichtet. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

AG Charlottenburg, Urteil vom 16. 11. 2016 (227 C 76/16)

(Pressemitteilung 1/2017 vom  6. 1. 2017)