BGH: Zur Ersatzfähigkeit von Finanzierungskosten bei Diesel-Fällen

Die Kl. erwarb im Februar 2013 von einem Autohaus einen gebrauchten VW Golf. Den Kaufpreis bezahlte sie zum Teil in bar, den Rest finanzierte sie mit einem Darlehen der Volkswagen Bank. Die Bekl. ist Herstellerin des Fahrzeugs, das mit einem Dieselmotor des Typs EA189, Schadstoffnorm Euro 5, ausgestattet ist. Dieser Motor hatte eine Steuerungssoftware, die erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand oder im normalen Straßenverkehr befand. Im Prüfstandsbetrieb führte die Software zu einer erhöhten Abgasrückführung im Vergleich zum Normalbetrieb, wodurch die Grenzwerte für Stickoxidemissionen der Abgasnorm Euro 5 auf dem Prüfstand eingehalten werden konnten.

Zwischen den Parteien war zuletzt im Wesentlichen noch die Ersatzfähigkeit der Finanzierungskosten im Streit, die der Kl. i.H.v. 3.275,55 € für Darlehenszinsen und eine Kreditausfallversicherung entstanden sind.

Das LG hat der Klage auf Erstattung der Finanzierungskosten stattgegeben. Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des OLG hat die Kl. gegen die Bekl. nach § 826 BGB neben dem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs auch einen Anspruch auf Erstattung der Finanzierungskosten in voller Höhe.

Der u.a. für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des BGH hat das angefochtene Urteil bestätigt und die Revision der Bekl. zurückgewiesen.

Die Vorinstanzen haben auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung zutreffend angenommen, dass die Bekl. die Kl. durch das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit Abschalteinrichtung vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat. Die Kl. ist daher gem. §§ 826, 249 Abs. 1 BGB so zu stellen, als wäre es nicht zu dem Fahrzeugerwerb gekommen. Hätte die Kl. das Fahrzeug nicht gekauft, hätte sie den Kaufpreis nicht mit einem Darlehen der Volkswagen Bank teilweise finanziert. Die Bekl. hat daher neben dem Kaufpreis für das Fahrzeug auch die Finanzierungskosten in voller Höhe zu erstatten. Einen Vorteil, der im Wege der Vorteilsausgleichung schadensmindernd zu berücksichtigen wäre, hatte die Kl. durch die Finanzierung nicht. Die Finanzierung verschaffte der Kl. keinen Liquiditätsvorteil im Vergleich zu dem Zustand, der bestanden hätte, hätte sie vom Kauf Abstand genommen. Die Finanzierungskosten erhöhen auch nicht den objektiven Wert des Fahrzeugs und vergrößern damit nicht den Gebrauchsvorteil, den die Kl. aus der Nutzung des Fahrzeugs gezogen hat.

BGH, Urt. v. 13.4.2021 – VI ZR 274/20

(Pressemitteilung des BGH Nr. 80 vom 13.4.2021)