Fußgängerunfall auf Radweg – OLG Hamm klärt die Haftung

Die das Überqueren einer Straße regelnde Fußgängerampel gilt nicht für einen Radweg, der durch einen Gehweg von der Fußgängerfurt der Straße getrennt ist. Kollidiert ein unaufmerksam auf einen solchen Radweg tretender Fußgänger mit einem in der Verkehrssituation zu schnell fahrenden Radfahrer, können beide gleichermaßen für das Unfallgeschehen verantwortlich sein. Das hat der 26. Zivilsenat des OLG Hamm am 19.1.2016 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des LG Münster vom 9.3.2017 (8 O 34/16) abgeändert.

Tatbestand:

Die seinerzeit 68 Jahre alte Kl. – aus der Innenstadt kommend – im Oktober 2014 im Kreuzungsbereich K.-Ring/B.-Straße über den K.-Ring in Richtung Bahnhof. Sie passierte die Straße bei Grünlicht der Fußgängerampel. Den hinter der Straßenfurt gelegenen, zum Bahnhofsvorplatz führenden Gehweg quert ein durch eine farblich abgehobene Pflasterung als solcher erkennbarer Radweg. Beim Überqueren dieses Radwegs stieß die Kl. mit dem Bekl. aus R. zusammen, der mit seinem Fahrrad aus der Richtung der Bahnhofsunterführung kommend dem an dieser Stelle nach rechts abbiegenden Radweg gefolgt war. Die Kl. stürzte und zog sich – so ihre Darstellung – mehrere Knochenbrüche und einen Bänderriss zu, für welche sie vom Beklagten Schadensersatz verlangt.

Das LG hat den Bekl. in einem Grund – und Teilurteil zur Zahlung eines der Höhe nach noch festzustellenden Schadensersatzes und eines in der Höhe noch zu bemessenden Schmerzensgeldes verurteilt. Dabei hat es gemeint, dass der Bekl. als Rechtsabbieger zu behandeln sei und als solcher den Vorrang der die Kreuzung bei Grünlicht in Richtung des Bahnhofsvorplatzes überquerenden Klägerin nicht beachtet habe. Zudem sei der Bekl., so das LG, mit einer den Verkehrsverhältnissen nicht angepassten Geschwindigkeit gefahren und habe daher für den der Kl. entstandenen Schaden allein aufzukommen.

Auf die Berufung des Bekl. hat der 26. Zivilsenat des OLG  Hamm das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den Bekl. dem Grunde nach nur zu einem 50%igen Schadensersatz verurteilt.

Aus den Gründen:

Entgegen der Auffassung des LG sei der Bekl., so der Senat, gegenüber der Kl. bevorrechtigt und nicht wartepflichtig gewesen. Er habe den an dem Kreuzungsbereich vorbeigeführten Radweg genutzt, für den die Lichtzeichenanlage nicht gelte. Diese solle den Fußgängern eine sichere Überquerung der Straße ermöglichen. Beabsichtige ein Fußgänger – im Anschluss an das Überqueren der Fahrbahn und nach dem Erreichen des zum Bahnhofsvorplatz führenden Gehwegs – auch den dort verlaufenden Radweg zu überqueren, sei dies eine neue, durch die Lichtzeichenanlage nicht geregelte Verkehrssituation. Ein Radfahrer, der aus Richtung der Bahnhofsunterführung kommend dem in einer Rechtskurve ausgestalteten und dann neben dem K.-Ring geführten Radweg folge, biege – im Rechtssinne – nicht nach rechts von der Bahnhofstraße in den K.-Ring ab. Vielmehr folge er einem Verlauf des Radweges der mit dem Straßenverlauf bei einer abknickenden Vorfahrt vergleichbar sei. Auch bei dieser liege kein Abbiegen im Sinne der Straßenverkehrsordnung vor, weil die bevorrechtigte Fahrbahn nicht seitlich verlassen werde.

Der Bekl. habe den Unfall allerdings mit verschuldet, weil er den nach rechts abbiegenden Radweg mit einer den Verkehrsverhältnissen nicht angepassten, überhöhten Geschwindigkeit befahren habe. Das ergebe sich bereits aus seiner eigenen Unfallschilderung, nach welcher ihm die Kurve eine freie Sicht auf den dahinterliegenden Bereich mit der Lichtzeichenanlage und dem Fußgängerüberweg versperrt habe und er dann, als er die Kl. wahrgenommen habe, den Unfall trotz seiner sofortigen Bremsung nicht mehr habe verhindern können.

Ein Mitverschulden der Kl. sei neben dem Verschuldensbeitrag des Bekl. anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Beim Überqueren des Radwegs habe sie den Vorrang des Radverkehrs nicht ausreichend beachtet, was sich bereits aus dem Unfallort auf dem Radweg ergebe. Die Kl. müsse sich zudem vorhalten lassen, nicht ausreichend auf Radfahrer aus der Fahrtrichtung des Bekl. geachtet zu haben, die für sie aufgrund des Kurvenverlaufs des Radwegs nicht genau zu überblicken gewesen sei.

Den Verschuldensbeitrag des Bekl. und das Mitverschulden der Kl. bemesse der Senat mit jeweils 50 %. Auf der Grundlage dieser Haftungsquote habe das LG die Schadenshöhe weiter aufzuklären.

OLG Hamm, Urteil vom 19.1.2018 (26 U 53/17)

(Pressemitteilung des OLG Hamm vom 1.3.2018)