OLG Frankfurt/M. bestätigt überwiegende Haftung eines Fahrradfahrers, der einen Fahrrad-Schutzstreifen entgegen der Fahrtrichtung nutzt

Das OLG Frankfurt/M. hat auf die erhöhten Sorgfaltsanforderungen hingewiesen, die einen Fahrradfahrer treffen, der einen sogenannten Fahrrad-Schutzstreifen in Gegenrichtung befährt.

Der Kl. nimmt den Bekl. auf Schmerzensgeld und weiteren Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Unfall in Anspruch. Der bekl. Fahrradfahrer fuhr in Gegenrichtung auf einem Fahrrad-Schutzstreifen in der belebten Innenstadt von Frankfurt/M. Seine Geschwindigkeit betrug 10–12 km/h. Der Kl. wollte als Fußgänger diesen Schutzstreifen in der Nähe eines Fußgängerüberwegs überqueren. Bei diesem Versuch wurde er von dem Fahrrad des Bekl. niedergerissen. Beide Parteien hatten sich vor dem Unfall nicht wahrgenommen. Der Kl. stürzte und erlitt u.a. einen schmerzhaften Gelenkbruch. Der Bekl. ist nicht haftpflichtversichert.

Das LG hat dem Kl. Schmerzensgeld in Höhe von 5000 Euro sowie weiteren Schadensersatz zugesprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Unfall auf ein ganz überwiegendes Fehlverhalten des Fahrradfahrers zurückzuführen sei.

Die hiergegen gerichtete Berufung hielt das OLG für unbegründet. Auf einen entsprechenden Hinweis hin hat der Bekl. nunmehr seine Berufung zurückgenommen. Das OLG betont in diesem Hinweisbeschluss, dass der Bekl. den Fahrrad-Schutzstreifen verbotswidrig genutzt habe. Er habe gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen. Dieses Fehlverhalten löse gesteigerte Sorgfaltspflicht aus. Der Bekl. habe deshalb insbesondere darauf achten müssen, ob Fußgänger von – aus seiner Sicht – links die Straße überqueren wollen. Diese Fußgänger müssten nicht mit einem von rechts verbotswidrig herannahenden Radfahrer rechnen. Dies gelte in besonderer Weise im Bereich einer Einbahnstraße, da dort kein Autoverkehr von rechts drohe. Außerdem müssten Fahrradfahrer in der Innenstadt grundsätzlich ihre Fahrweise auf ein erhöhtes Fußgängeraufkommen einrichten.

Der Bekl. sei zudem in der konkreten Situation zu schnell gefahren. Er hätte die Gefährdung insbesondere älterer Menschen ausschließen müssen. Dies sei hier bei der Geschwindigkeit von 10–12 km/h nicht möglich gewesen. Da der Bekl. über keine Haftpflichtversicherung verfüge, hafte er persönlich für die Unfallfolgen.

Den klagenden Fußgänger treffe jedoch ein Mitverschulden von 10 %, da er die Straße nicht auf dem 6–8 m von der Unfallstelle entfernten Fußgängerüberweg überquert habe.

OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 9. 5. 2017 (4 U 233/16)

(Pressemitteilung des OLG Frankfurt/M. vom 19. 6. 2017)

Erläuterungen:

Fahrrad-Schutzstreifen sind Teil der Fahrbahn und werden durch eine dünne, unterbrochene Linie gekennzeichnet. Sie sind mit einem Fahrrad-Piktogramm versehen. Autos dürfen auf diesem Streifen kurzzeitig halten und ihn ausnahmsweise befahren, wenn die Straße andernfalls zu eng ist. Parken ist untersagt.

Fahrrad-Streifen werden dagegen von der Fahrbahn durch eine dicke, durchgezogene Linie getrennt und ebenfalls mit einem Fahrrad-Piktogramm versehen. Autos dürfen diese Streifen weder befahren noch auf ihnen halten oder parken.