OLG Frankfurt/M.: Sektenvorwurf unterfällt freier Meinungsäußerung

Das OLG Frankfurt/M. hat bekräftigt, dass die Bezeichnung eines Unternehmens als „Sekte“ dem Schutz der freien Meinungsäußerung unterfällt, hinter den der soziale Geltungsanspruch des Unternehmens zurücktritt.

Die Kl. ist im Bereich der Medienproduktion tätig. Der Bekl. ist ein früherer Mitarbeiter der Kl. Er hat zwischenzeitlich mit anderen ein eigenes Unternehmen im Bereich der Medienproduktion gegründet. Der Bekl. wuchs in einer Glaubensgruppe auf, die er 2012 verlassen hat. In zahlreichen Presseveröffentlichungen, Medienauftritten und Berichten auf seiner Facebook-Seite äußerte er u.a., dass es sich bei der Gruppe um eine Sekte handele und deren Mitglieder auch hinter der Kl. als Unternehmen stünden. Die Staatsanwaltschaft ermittele gegen die Gründer der Kl.

Die Kl. nahm den Bekl. auf Unterlassung dieser und einer Vielzahl weiterer Äußerungen in Anspruch. Das LG hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Kl., die vor dem OLG nach Rücknahme des größten Teils der zunächst gestellten Anträge nur zu einem Teil Erfolg hatte.

Der Bekl. dürfe allerdings, so das OLG, nicht mehr behaupten, dass die Staatsanwaltschaft gegen die Gründer der Kl. ermittele. Insoweit handele es sich um eine unrichtige Tatsachenbehauptung. Ein Ermittlungsverfahren sei tatsächlich ausschließlich gegen die Witwe des ehemaligen Geschäftsführers der persönlich haftenden Gesellschafterin der Kl. geführt worden. Diese sei indes zu keinem Zeitpunkt in den Gründungsvorgang der Kl. involviert gewesen.

Der Bekl. sei jedoch berechtigt, die Kl. gegenüber deren Kunden und Mitgliedern eines beruflichen Netzwerks als Sekte zu bezeichnen. Zwar betreffe diese Bezeichnung die Kl. in ihrem „sozialen Geltungsanspruch“. So würden im allgemeinen Sprachgebrauch Sekten „oft als religiöse Gruppen bezeichnet, die in irgendeiner Weise als gefährlich oder problematisch angesehen werden“. Die Äußerung sei damit geeignet, das Unternehmen in den Augen der Rezipienten negativ zu qualifizieren. Da der Bekl. diese Aussagen auch gezielt gegenüber den Kunden der Kl. verbreitet habe, auf deren Aufträge die Kl. zur Ausübung ihres Geschäftsbetriebs angewiesen sei, habe sein Verhalten sogar den „Charakter eines Boykottaufrufs“.

Unter Abwägung der betroffenen Interessen der Kl. einerseits und des Bekl. andererseits sei die damit verbundene Beeinträchtigung der Kl. jedoch nicht als rechtswidrig einzuordnen. Das Interesse der Kl. am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs als Wirtschaftsunternehmen überwiege nicht das Interesse des Rechts des Bekl. auf freie Meinungsäußerung. Auch ein Boykottaufruf könne „dem geistigen Meinungskampf“ dienen, wenn der „Aufrufende sich gegenüber dem Adressaten auf den Versuch geistiger Einflussnahme und Überzeugung, also auf Mittel beschränkt, die den geistigen Kampf der Meinungen gewährleisten“. Dies sei hier der Fall. Der Bekl. habe primär die „Aufklärung und Information der Kunden der Kl. über die dort vorherrschenden ideologischen Wertvorstellungen und intern bestehenden Strukturen“ bezweckt. Denkbare eigene wirtschaftliche Vorteile hätten demgegenüber nicht im Vordergrund gestanden.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Mit der beim BGH einzulegenden Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision begehrt werden.

OLG Frankfurt/M., Urteil vom 28.6.2018 (16 U 105/17)

(Pressemitteilung des OLG Frankfurt/M. Nr. 27 vom 29.6.2018)