OLG Hamm: Brennbarkeit von Benzin „getestet“, Werkstatt abgebrannt – OLG Hamm klärt die Haftung

Der Betreiber einer Kfz- Mietwerkstatt, ein Kunde, der die Werkhalle zur Reparatur eines Fahrzeugs gemietet hatte, sowie zwei ihn bei der Reparatur unterstützende Bekannte haften für einen Werkstattbrand, der durch unsachgemäßes Ablassen von Benzin aus einem Fahrzeugtank und einem dabei von den Bekannten durchgeführten „Brennbarkeitstest“ verursacht wurde. Das hat der 9. Zivilsenat des OLG Hamm am 4.4.2017 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des LG Arnsberg vom 15.5.2015 (2 O 365/13) bestätigt.

Tatbestand:

Der klagende Versicherer macht gegen die vier Bekl. auf ihn übergegangene Ersatzansprüche nach der Regulierung eines Brandschadens geltend. Der VN des Kl. ist Eigentümer eines Gebäudekomplexes in Schmallenberg, in dem sich eine Kfz-Werkstatt mit Hebebühnen befindet. Diese hatte der VN dem Bekl. zu 3 zur Nutzung überlassen. Der Bekl. zu 3 wiederum vermietete die Kfz-Werkstatt nebst Werkzeug und Hebebühnen an Kunden, die dort Fahrzeuge reparieren wollten.

Zwecks Reparatur eines Opel Corsa mietete der Bekl. zu 4 die Werkstatt Ende Januar 2013 an. Gemeinsam mit zwei Bekannten, den Bekl. zu 1 und zu 2, beabsichtigte der Bekl. zu 4 den Tank des Fahrzeugs auszutauschen. Bei den Arbeiten ließen die Beteiligten Benzin aus einer Höhe von ca. 1,5 m aus dem auszubauenden Tank in einen offenen Eimer auslaufen, den ihnen der Bekl. zu 3 zur Verfügung gestellt hatte. Um das Ablassen des Benzins zu beschleunigen, schlug der Bekl. zu 4 zudem ein Loch in den Tank, welches der Bekl. zu 1 noch vergrößerte. Benzin gelangte so auch auf den Boden der Werkstatt und an die Hand des Bekl. zu 1. Um dessen Brennbarkeit zu „testen“, zündete der Bekl. zu 2 die Hand des Bekl. zu 1 an, die der Bekl. zu 1 sodann auszuschlagen versuchte. Bei diesem Geschehen entzündete sich das auslaufende Benzin. Es entstand ein Werkstattbrand, durch den das gesamte Gebäude abbrannte. Die hierdurch entstandenen Schäden am Gebäude, weitere Schäden am Inventar, einem anderen Fahrzeug sowie Fahrzeugreifen anderer Eigentümer beziffert der Kläger mit insgesamt ca. 409.000 Euro, die er nach der Regulierung von den Bekl. ersetzt verlangt.

In einem gegen die Bekl. zu 1 und zu 2 wegen fahrlässiger Brandstiftung geführten Strafverfahren sind die Beklagten vom AG – Schöffengericht – Meschede mangels Nachweises des Tatvorwurfs aus tatsächlichen Gründen im Dezember 2013 freigesprochen worden.

Im vorliegenden Zivilprozess hat das LG Arnsberg unter Auswertung der Akten des Strafprozesses und nach der Vernehmung von Zeugen die Schadensersatzpflicht aller vier Bekl. festgestellt und der Klage dem Grunde nach stattgegeben.

Die Berufung der vier Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil ist erfolglos geblieben. Der 9. Zivilsenat des OLG Hamm hat die erstinstanzliche Entscheidung nach ergänzender Beweisaufnahme und dem Einholen eines Sachverständigengutachtens bestätigt.

Aus den Gründen:

Alle Bekl. hätten den Brand grob fahrlässig verursacht, so der Senat. Bereits das Ablassen des Benzins aus dem auszutauschenden Tank des Opel Corsa in einen offenen Eimer stelle eine grob fahrlässige Schadensverursachung durch alle Bekl. dar. Für die Bekl. zu 1, 2 und 4 bereits deswegen, weil sie am Ablassvorgang selbst beteiligt gewesen seien. Der Bekl. zu 3 habe ihnen hierfür die Eimer zur Verfügung gestellt und sei gegen das erkennbar unsachgemäße Vorgehen nicht eingeschritten.

Das Ablassen des Benzins in offene Eimer sei grob unsachgemäß und widerspräche jeglichen Sicherheitsvorschriften, wie der Sachverständige bestätigt habe. Das gelte auch für Benzin, das auf den Boden gelange und nicht sofort beseitigt werde. Der Kraftstoff setze Benzindämpfe frei und führe zu einer explosionsfähigen Atmosphäre, bei der schon ein Funke zu einem Brand führen könne. Bereits die durch das Benzinablassen begründete Gefahrenlage habe sich in dem späteren Brand realisiert. Wenn in dieser Situation im Nahbereich noch mit einer offenen Flamme hantiert und eine angezündete Hand dann heruntergeschlagen werde, sei das extrem gefährlich, auch für die beteiligten Personen. Dass im vorliegenden Fall nur Sach- und kein Personenschaden entstanden sei, könne man mit dem Sachverständigen, so der Senat, nur als großes Glück bezeichnen.

Konkret sei der Brand, auch das habe die Beweisaufnahme ergeben, durch das einvernehmliche „Zündeln“ der Bekl. zu 1 und 2 ausgelöst worden. Von der heruntergeschlagenen, angezündeten Hand sei eine Feuerperle auf den spritbedeckten Boden gefallen, der dadurch in Brand geraten sei. Durch dieses „Zündeln“ sei allerdings der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang der Tatbeiträge der Bekl. zu 3 und 4 nicht unterbrochen worden. Das „Zündeln“ als solches sei zwar ungewöhnlich, mit einem solchen Verhalten die Bekl. zu 3 und 4 kaum rechnen müssen. Allerdings hätten sie – und das stehe eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs entgegen – das unsachgemäße Ablassen des Benzins maßgeblich mit zu verantworten und hierdurch eine gesteigerte Gefahrenlage geschaffen, die sich dann auch im Schaden ausgewirkt habe.

OLG Hamm, Urteil vom 4.4.2017 (9 U 120/15)

(Pressemitteilung des OLG Hamm vom 5.2.2018)