OLG Hamm: Kind mit „falschem“ Sperma gezeugt – Schmerzensgeld für die Mutter

Trägt eine – ärztlicherseits pflichtwidrig – mit „falschem“ Sperma durchgeführte Insemination zu einer körperlich-psychischen Belastung der Mutter bei, kann der Mutter ein Schmerzensgeld von 7.500 Euro zuzusprechen sein. Das hat der 3. Zivilsenat des OLG Hamm am 19.2.2018 entschieden und damit die erstinstanzliche Entscheidung des LG Münster bestätigt.

Die im Münsterland in gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft lebende Kl. schloss im Jahr 2006 mit den – seinerzeit eine Gemeinschaftspraxis in Münster unterhaltenden – bekl. Ärzten einen Behandlungsvertrag, der eine heterologische Insemination vorsah. Nach der künstlichen Befruchtung mit Samen eines der Kl. unbekannten Spenders gebar sie im Januar 2007 ein Mädchen, das ihre Lebenspartnerin im Jahr 2008 als gemeinschaftliches Kind annahm.

Ende des Jahres 2007 wandte sich die Kl. erneut an die Bekl. und wünschte eine erneute heterologe Insemination zur Zeugung eines zweiten Kindes, das von demselben Vater abstammen sollte wie die zuvor geborene Tochter. Dem lag der Wunsch der Kl. zugrunde, Vollgeschwister als Kinder zu haben. Ausgehend hiervon ließ die Kl. im Jahr 2008 eine weitere heterologische Insemination von den Bekl. durchführen, wiederum mit Samen eines der Kl. unbekannten Spenders. Aufgrund dieser heterologischen Insemination wurde im Januar 2009 ein Junge geboren. Da ihre beiden Kinder unterschiedliche Blutgruppen hatten, erkundigte sich die Kl. im November 2010 bei den Bekl. nach dem Vater und erfuhr im August 2011, dass sie nicht von demselben Spender gezeugt worden waren.

Aufgrund dieses Umstands hat die Kl. von den Bekl. Schadensersatz verlangt, u.a. ein Schmerzensgeld. Hierzu hat die Kl., die sich zwischenzeitlich von ihrer Lebensgefährtin getrennt hatte, behauptet, die Nachricht, dass ihre Kinder keine Vollgeschwister seien, habe bei ihr eine körperlich-psychische Belastungssituation mit Erschöpfungszuständen, depressiven Episoden und Schuldgefühlen gegenüber beiden Kindern ausgelöst. Die Belastung habe eine psychologische Behandlung notwendig gemacht. Die Bekl. haben demgegenüber die von der Kl. behaupteten gesundheitlichen Folgen bestritten und auf andere mögliche Ursachen, insbesondere auf die Trennung von der Lebensgefährtin verwiesen.

Nach der Vernehmung der die Kl. behandelnden Psychotherapeutin und Auswertung von Krankenunterlagen hat das LG die von der Kl. behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen festgestellt. Diese seien – so das LG – auch auf die vertragliche Pflichtverletzung der Bekl. zurückzuführen, nach der die Kinder nicht von demselben Spender abstammten. Nach Ansicht des LG rechtfertigten die gesundheitlichen Belastungen ein Schmerzensgeld von 7.500 Euro.

In dem vor dem OLG Hamm von den Parteien geführten Berufungsverfahren hat der 3. Zivilsenat des OLG Hamm die erstinstanzliche Verurteilung der Bekl. zur Zahlung des Schmerzensgeldes bestätigt. Insoweit könne offenbleiben, so der Senat, ob der haftungsbegründende Schaden der Kl. bereits in der zweiten Insemination liege, die pflichtwidrig mit dem falschen Sperma durchgeführt worden und nicht von der Einwilligung der Kl. gedeckt gewesen sei. Jedenfalls hafteten die Bekl. für die körperlich-psychischen Auswirkungen der Pflichtverletzung, die die Kl. selbst getroffen hätten. Dabei sei die Situation der Kl. – entgegen der Auffassung der Bekl. – nicht mit einem sogenannten Schockschaden vergleichbar, der etwaige Beeinträchtigungen aus dem Miterleben der Schädigung eines Anderen erfasse. Vielmehr sei die Kl. selbst gesundheitlich betroffen, die zu ihrer Behandlung notwendige psychotherapeutische Langzeittherapie sei durch die Pflichtverletzung der Bekl. mitverursacht worden. Für diese habe das LG zu Recht ein Schmerzensgeld von 7.500 Euro zugesprochen.

OLG Hamm, Urteil vom 19.2.2018 (3 U 66/16)

(Pressemitteilung des OLG Hamm vom 4.4.2018)

Hinweis der Pressestelle:

Mit dem Urteil vom 19.2.2018 (3 U 66/16) hat der 3. Zivilsenat des OLG Hamm auch entschieden,

  • dass die Kl. keinen Anspruch darauf hat, die bei den Bekl. vorhandene Kartei mit den Daten der Samenspender (Name, Geburtsdatum, Wohnort etc.) einzusehen. Bei der Kartei handele es sich, so der Senat, – anders als bei der aus medizinischen Gründen notwendigen Dokumentation der Blutgruppe eines Spenders in den Behandlungsunterlangen der Kl. – nicht um Krankenunterlagen (eine Patientenakte i.S.v.§ 630 f BGB), die die Behandlung der Kl. beträfen.
  • dass die beiden in dem Prozess ebenfalls klagenden Kinder der Kl. – vor dem Hintergrund der Entscheidungen des OLG Hamm vom 6.2.2013 (14 U 7/12) und des BGH vom 28.1.2015 (XII ZR 201/13) – von den Bekl. Auskunft über die Identität ihres genetischen Vaters verlangen können. Diese Auskunft könnten Eltern für ihr Kind begehren, wenn sie das Kind zu einem späteren Zeitpunkt über die Identität des Erzeugers aufklären wollten, so der Senat, ohne einen bestimmten zeitlichen Zusammenhang zwischen Erlangen der Information und der Weitergabe an das Kind nennen zu müssen. Zudem gebe es im vorliegenden Fall keinen Anlass von dem vom BGH aufgestellten Grundsatz abzuweichen, wonach dem Auskunftsrecht des Kindes als Ausfluss seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Vorrang einzuräumen sei gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Spender, denen die Behandler Anonymität zugesichert hätten.