OLG Hamm präzisiert Verkehrssicherungspflichten für an Straßen aufgestellte Werbeanlagen

Nach einer Entscheidung des 9. Zivilsenats des OLG Hamm dürfen neben der Straße aufgestellte Werbeanlagen Verkehrsteilnehmer nicht ablenken, behindern und müssen standsicher aufgestellt sein. Weitergehende Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz stürzender Kradfahrer müssen sie nicht aufweisen. Die Entscheidung ist jetzt rechtskräftig, nachdem der BGH die Nichtzulassungsbeschwerde des im Prozess unterlegenen Kradfahrers mit Beschluss vom 24.10.2017 (VI ZR 162/16) zurückgewiesen hat.

Der seinerzeit 30 Jahre alte Kl. befuhr im Juni 2013 mit seinem Krad eine Landstraße. Beim Ausgang einer Linkskurve verlor er die Kontrolle über sein Krad und stürzte. Dabei rutschte er über die Einmündung eines untergeordneten Wirtschaftswegs und prallte gegen ein ca. 6 m von der Fahrbahn der Landstraße entferntes hölzernes Werbeschild des bekl. Landwirts. Die Holzpfosten des Schilds waren mit verzinkten Erdhülsen in einem Betonfundament aufgestellt und wiesen keinen Aufprallschutz wie z.B. eine Styroporummantelung auf. Durch den Aufprall wurde ein Holzpfosten des Schilds durchtrennt, dessen Betonfundament sich löste. Der Kl. erlitt schwere Verletzungen. Er ist seit dem Unfall querschnittsgelähmt und ohne Aussicht, wieder erwerbstätig zu sein.

Vom bekl. Landwirt verlangte der Kl. Schmerzensgeld und materiellen Schadensersatz mit der Begründung, der Bekl. habe das Werbeschild ohne die erforderliche Genehmigung der Straßenbaubehörde und ohne einen gebotenen Aufprallschutz errichtet und mit der so geschaffenen Gefahrenlage eine Verkehrssicherungspflicht verletzt.

Das Schadensersatzbegehren des Kl. ist erfolglos geblieben. Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflichtverletzung des Bekl. konnte der 9. Zivilsenat des OLG Hamm nicht feststellen.

Die beim Aufstellen des Werbeschilds zu beachtenden straßenwegerechtlichen, straßenverkehrsrechtlichen und bauordnungsrechtlichen Vorschriften dienten nicht dazu, so der Senat, Verletzungen eines mit dem Werbeschild kollidierenden Verkehrsteilnehmers zu verhindern. Dass sie den Verkehr ablenkende und damit die Verkehrssicherheit und -leichtigkeit beeinträchtigende Werbeanlagen untersagten, verhelfe dem Kl. zu keinem Anspruch, weil er seinen Sturz nicht auf die Existenz des Schildes zurückführe. Zudem gingen von dem Schild, das habe das LG zutreffend festgestellt, keine die Verkehrssicherheit beeinträchtigenden Ablenkungswirkungen aus.

Der Bekl. hafte auch nicht deswegen, weil er es unterlassen habe, das Werbeschild durch eine polsternde Ummantelung der Pfosten, einen Fangzaun o.ä. weiter abzusichern oder seine Gründung so stabil auszuführen, dass das Fundament selbst beim heftigen Aufprall eines Krades nicht habe herausgehoben werden können. Bei nicht direkt an der Straße stehenden Schildern der vorliegenden Art seien derartige Sicherungen nicht üblich und entsprächen auch nicht der Verkehrserwartung. Sie könnten vernünftigerweise auch nicht von Kradfahrern erwartet werden. Diese müssten auch mit sonstigen potenziell (ungesicherten) Hindernissen im Umfeld einer Straße wie z.B. Bäumen o.ä. rechnen. Derjenige, der ein Werbeschild im Umfeld einer Straße aufstelle, müsse lediglich dafür Sorge tragen, dass das Schild so beschaffen sei, dass sich durch Umwelteinflüsse keine Teile ablösen könnten sowie dass keine Behinderung der Verkehrsteilnehmer durch eine ungünstige Position des Schilds oder eine Ablenkung durch dessen Aufmachung erfolge. Alledem sei der Bekl. nachgekommen. Dabei hätten gerade die mittels Metallbefestigungen und der Betonvorrichtung fest mit dem Erdboden verbunden Pfosten die erforderliche Standfestigkeit gewährleistet und verhindert, dass sich beispielsweise Teile – etwa witterungsbedingt – lösen und mit Verkehrsteilnehmern kollidieren konnten.

OLG Hamm, Beschluss vom 15.3.2016 (9 U 134/15)

(Pressemitteilung des OLG Hamm vom 6.12.2017)