OLG Hamm: Verschuldensunabhängige Haftung für kontaminierte Silage

Verfüttert ein Landwirt von ihm hergestellte, kontaminierte Silage an ein bei ihm eingestelltes Pferd, das hierdurch erkrankt, kann er dem Eigentümer des Pferdes gegenüber verschuldensunabhängig haften. Hierauf hat der 21. Zivilsenat des OLG Hamm mit Beschluss vom 2.11.2016 hingewiesen. Daraufhin hat der bekl. Landwirt aus S. am 23.12.2016 seine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des LG Hagen vom 27.11.2015 (8 O 166/11) zurückgenommen.

Tatbestand:

Die Kl. aus H. sind Eigentümer eines 1999 geborenen Pinto-Wallachs und Westernreitpferds. Dieses hatten sie im Pferdepensionsbetrieb eingestellt, den der Bekl. auf einem Hof in I. unterhält. Vereinbarungsgemäß versorgte der Bekl. das Pferd und fütterte es u.a. auch mit Heu und selbst hergestellter Silage. 2011 erkrankte das Pferd zeitgleich mit anderen Pferden im Stall des Bekl. die ebenfalls mit der vom Bekl. selbst hergestellten Silage gefüttert worden waren. Untersuchungen ergaben, dass bei den Tieren eine Botulismus-Erkrankung ausgelöst worden war, für die nur die Silage als Verursacher in Betracht kam.
Die Kl. ließen ihr Pferd tierärztlich behandeln, wofür Kosten in Höhe von ca. 15.700 Euro anfielen. Zur Übernahme dieser Kosten ist der Bekl. in erster Instanz durch das LG verurteilt worden. Seine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ist erfolglos geblieben. Der Bekl. hat diese zurückgenommen, nachdem der für das Berufungsverfahren zuständige 21. Zivilsenat des OLG Hamm mit Beschluss vom 2.11.2016 auf die Erfolglosigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hatte.

Aus den Gründen:

Der Bekl. hafte auch ohne eigenes Verschulden für die durch die Botulismus-Erkrankung des Pferdes entstandenen Tierarztkosten, so der Hinweis des Senats. Seine Haftung folge aus dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG), das ihm eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung für den Fehler eines von ihm hergestellten Produkts auferlege.
Die vom Bekl. hergestellte Silage sei ein Produkt im Sinne dieses Gesetzes, das durch die Kontamination mit den Botulismus-Erregern einen bestimmungswidrigen Fehler aufgewiesen habe.
Der Bekl. sei der Hersteller dieses Produkts, weil er das in seinem landwirtschaftlichen Betrieb verarbeitete Gras produziert, gemäht und gesammelt habe. Nach dem ProdHaftG hafte auch ein Grundstoffproduzent. Nach dem Wegfall des Haftungsprivilegs für Naturprodukte seien auch die von Landwirten erzeugten Grundstoffe für Nahrungsmittel in die Produkthaftung einbezogen. Darüber hinaus habe der Bekl. das von ihm selbst produzierte und geerntete Gras zwecks Herstellung der Silage weiterverarbeitet. Auch das mache ihn zum Hersteller.
Zugunsten des Bekl. greife keiner der im ProdHaftG geregelten Ausnahmetatbestände ein.
Der Bekl. habe die von ihm produzierte Silage geschäftlich in den Verkehr gebracht, indem er sie vereinbarungsgemäß an das Pferd der Kl. verfüttert habe.
Die Gefahr einer Kontamination der Silage, die zur Entstehung von Botulintoxin führen könne, sei zum damaligen Zeitpunkt allgemein bekannt und dem Bekl. auch bewusst gewesen. Die Kontamination stelle einen Fabrikationsfehler dar, von dem sich der Hersteller nicht entlasten könne. Unerheblich sei auch, ob er die Kontamination mit vertretbarem Aufwand habe feststellen können, weil der Hersteller nach dem ProdHaftG auch für sogenannte Ausreißer hafte.

OLG Hamm, Beschluss vom 2.11.2016 (21 U 14/16)

Pressemitteilung des OLG Hamm vom 22.5.2017