OLG Hamm: Zur Haftung bei Straßenbahnunfall

Straßenbahnen haben auch dann Vorrang, wenn die Ampel einer über die Schienen führenden Fahrspur für Kfz grün ist. Unter Hinweis auf diese Rechtslage hat der 7. Zivilsenat des OLG Hamm der Schadensersatzklage eines Pkw-Fahrers den Erfolg versagt und damit das erstinstanzliche Urteil des LG Bielefeld bestätigt.

Der seinerzeit 79 Jahre alte Kl. aus Bielefeld befuhr im November 2015 mit seinem Pkw die A.-Straße in Bielefeld in Fahrtrichtung Innenstadt. Der Kl. beabsichtigte mittels eines sogenannten U-Turns zu wenden. Hierzu musste er einer Linksabbiegerspur folgend die für beide Fahrtrichtungen in der Straßenmitte befindlichen Straßenbahngleise überfahren. Der Kl. fuhr bei Grünlicht der für ihn geltenden Ampelanlage in den Gleisbereich ein. Als er sich mit seinem Fahrzeug auf den Gleisen befand, erfasste die aus gleicher Richtung kommende Straßenbahn der bekl. Verkehrsbetriebe den Pkw des Kl. Kurz zuvor hatte eine weitere Straßenbahn aus der Gegenrichtung die Unfallstelle passiert. Durch den Unfall wurde das Fahrzeug des Kl. beschädigt, der Kl. erlitt erhebliche Verletzungen.

Von den bekl. Verkehrsbetrieben und dem ebenfalls beklagten Straßenbahnfahrer hat der Kl. materiellen und immateriellen Schadensersatz verlangt, u.a. ein Schmerzensgeld in Höhe von 18.000 Euro. Dabei hat er behauptet, vor der Kollision mehrere Sekunden auf den Gleisen gestanden zu haben. Wenn der Straßenbahnfahrer rechtzeitig gebremst hätte, wäre der Unfall vermieden worden. Die Bekl. haben demgegenüber eingewandt, dass allein der Kl. für den Unfall verantwortlich sei, weil er ohne die Vorfahrt der Straßenbahn zu beachten, auf die Schienen gefahren sei und vor dem Zusammenstoß dort nicht bereits einige Zeit gestanden habe.

Die Schadensersatzklage des Kl. ist erfolglos geblieben. In Ergänzung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme hat der 7. Zivilsenat des OLG Hamm ein Sachverständigengutachten zum Unfallhergang eingeholt. Die klageabweisende Entscheidung des LG hat der Senat sodann bestätigt.

Für die Unfallfolgen sei der Kl. zu 100 % selbst verantwortlich, so der Senat. Ein Verschulden der Verkehrsbetriebe oder des Straßenbahnfahrers liege nicht vor.

Auf eine Änderung der Ampelphasenschaltung hätten die Verkehrsbetriebe nicht hinwirken müssen. Die zum Zeitpunkt des Unfalls vorhandene Ampelphasenschaltung – mit Grünlicht für linksabbiegende Kfz, die die Straßenbahnschienen kreuzen, und ebenfalls Grünlicht für die Straßenbahn – sei rechtlich zulässig. Bei einer derartigen Ampelphasenschaltung greife die in der StVO gesetzlich geregelte Vorrangregelung zu Gunsten der Schienenbahn, die auch gegenüber einem bei Grünlicht abbiegenden Linksabbieger gelte. Zwar sei es zwecks Vermeidung von Unfällen sicherer, wenn – wie nach der Änderung der Schaltung an der Unfallstelle im Sommer 2016 – durch eine Ampelschaltung ein gleichzeitiges Befahren des Bahnübergangs durch Individualverkehr und durch eine Straßenbahn ausgeschlossen sei. Auf eine solche Lösung habe aber kein Verkehrsteilnehmer Anspruch.

Verkehrsverstöße des bekl. Straßenbahnfahrers seien ebenfalls nicht feststellbar. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Kl. sein Fahrzeug aus einer Warteposition neben den Gleisen erst zu einem Zeitpunkt auf das Gleisbett gelenkt habe, zu dem sich die von dem Straßenbahnfahrer geführte Straßenbahn schon so weit angenähert hatte, dass ein Anhalten der Bahn nicht mehr möglich gewesen sei. Der Vortrag des Kl., sein Pkw habe zum Zeitpunkt der Kollision bereits auf den Schienen gestanden und sei nicht mehr in Bewegung gewesen, sei durch die Beweisaufnahme widerlegt. Nach dieser sei weder eine Geschwindigkeitsüberschreitung des Straßenbahnfahrers noch eine verspätete Reaktion des Fahrers auf die Fahrweise des Kl. bewiesen.

Vielmehr sei der Kl. für den Unfall allein verantwortlich. Er habe seinen Pkw wenden wollen. Dabei habe er sich so verhalten müssen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen gewesen wäre. Um diesen Sorgfaltsanforderungen zu genügen, hätte er – ungeachtet des Grünlichts der für ihn geltenden Lichtzeichenanlage – die in seine Fahrtrichtung fahrende Stadtbahn passieren lassen müssen und erst dann auf die Schienen fahren dürfen.

OLG Hamm, Urteil vom 13.4.2018 (7 U 36/17)

(Pressemitteilung des OLG Hamm vom 13.6.2017)