OLG Nürnberg: Verkehrssicherungspflichten können auch schon vor der offiziellen Ladenöffnungszeit bestehen

Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass einer Kundin, die bereits vor der Ladenöffnungszeit in einer Bäckerei einkauft und dabei über eine am Boden liegende Palette stolpert, ein Schadensersatzanspruch zusteht, wobei der Senat allerdings auch von einer nicht unerheblichen Mitverschuldensquote der Geschädigten ausgeht.

Die Kl. wollte im Juni 2015 in einer Bäckerei einkaufen. Im Einverständnis mit der bekl. Ladeninhaberin betrat sie das Geschäftslokal bereits vor der offiziellen Ladenöffnungszeit und stürzte über eine Palette, die zwischen dem Eingangsbereich und der Ladentheke am Fußboden lag. Die Kl. verletzte sich infolge des Sturzes schwer am Knie und verlangte von der Bekl. u. a. Schmerzensgeld und den Ersatz von Haushaltsführungsschaden. Ferner begehrte sie die Feststellung, dass ihr auch ein Ersatz für künftige Schäden, die auf dem Sturz beruhen, zustehe.

Das OLG Nürnberg hat eine Verkehrssicherungspflicht der Ladeninhaberin bejaht. Bei einer Backstube sei das Augenmerk der Kunden in erster Linie auf die ausgelegten Waren und nicht auf Gegenstände, die am Boden liegen, gerichtet. Auch sei bei größerem Kundenandrang möglicherweise die freie Sicht auf den Boden eingeschränkt.

Die Pflicht, den Boden frei von Stolperfallen zu halten, bestehe schon vor der Ladenöffnungszeit, wenn Kunden auch zu diesem Zeitpunkt bereits den Laden betreten und Geschäfte abschließen können.

Das OLG geht allerdings von einem Mitverschuldensanteil der Kl. in Höhe von 40 % aus. Ein Kunde, der vor den angegebenen Öffnungszeiten den Laden betrete, müsse damit rechnen, dass Waren angeliefert und eingeräumt werden. Beim Betreten des Ladens hätte die Kl. daher besonders vorsichtig sein und sich zunächst einen Überblick verschaffen müssen. Die Palette sei aufgrund ihrer Struktur und der länglichen Holzplatten gut zu erkennen gewesen.

OLG Nürnberg, Urteil vom 21. 12. 2016 (4 U 1265/16)

(Pressemitteilung 1/17 vom 10. 1. 2017)