OLG Stuttgart: Zur Haftungsquote bei einem Verkehrsunfall zwischen einem Feuerwehrfahrzeug und einem Pkw

Der 12. Zivilsenat des OLG Stuttgart hat mit einem Berufungsurteil in einem Zivilrechtsstreit wegen eines Verkehrsunfalls zwischen einem Feuerwehrfahrzeug und einem Pkw das erstinstanzliche Urteil des LG Ellwangen teilweise abgeändert.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Das bei der Bekl. haftpflichtversicherte Feuerwehrfahrzeug der freiwilligen Feuerwehr einer Umlandgemeinde hatte seinerzeit den Auftrag, wegen einer akuten Hochwasserlage Sandsäcke zu einem Sammeldepot zu transportieren. Entsprechend der Anordnung des Einsatzleiters, mit Blaulicht und Martinshorn zu fahren, überholte das Feuerwehrfahrzeug innerorts den Pkw des Kl., der am rechten Straßenrand angehalten hatte. Wenige Meter danach hielt der Fahrer des Feuerwehrfahrzeugs am linken Straßenrand an, um einen dort stehenden Feuerwehrkollegen nach dem schnellsten Weg zum Sammeldepot zu fragen. Wegen der besseren Verständigung schaltete er das Martinshorn aus, nicht aber das Blaulicht. Nach kurzem Zuwarten fuhr der Fahrer des Pkw langsam rechts an dem Feuerwehrfahrzeug vorbei. Als er an diesem fast vorbei war, fuhr das Feuerwehrfahrzeug wieder los und zog zur Mitte der Fahrbahn, worauf die Fahrzeuge kollidierten. Der Fahrer des Feuerwehrfahrzeugs hatte dabei weder das Martinshorn eingeschaltet noch den rechten Blinker gesetzt. Er hatte beim Anfahren auch den rechts an ihm vorbeifahrenden Pkw übersehen. Der Kl. hat gegenüber dem bekl. Versicherer den Schaden in Höhe von rd. 6400 Euro an seinem Pkw eingeklagt.

Nach der Entscheidung des OLG kann der Kl. von dem bekl. Versicherer zwei Drittel des ihm entstandenen Schadens ersetzt verlangen. Es ist hierbei von einem überwiegenden Verschulden des Fahrers des Feuerwehrfahrzeugs ausgegangen.

Angesichts der akuten Hochwasserlage habe es sich beim Transport der Sandsäcke um eine Hilfeleistung bei einem öffentlichen Notstand gehandelt. Das Feuerwehrfahrzeug habe deswegen Sonderrechte nach § 35 Abs. 1 StVO in Anspruch nehmen dürfen. Hierbei sei das Feuerwehrfahrzeug aber nur insoweit von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit gewesen, als dies zur Erfüllung der vorliegenden Aufgabe dringend geboten gewesen sei. Danach habe das Feuerwehrfahrzeug zwar auf der linken Fahrbahnseite anhalten dürfen, was normalen Fahrzeugen nur in Einbahnstraßen oder dann gestattet sei, wenn auf der rechten Seite Schienen liegen (§ 12 Abs. 4 S. 4 StVO). Vor dem Anfahren hätte der Fahrer des Feuerwehrfahrzeugs aber das Martinshorn einschalten, den Blinker betätigen und kurz zuwarten müssen, damit sich der Verkehr auf eine Fortsetzung der Einsatzfahrt einstellen kann. Der Fahrer hätte sich vor der Weiterfahrt auch vergewissern müssen, dass er den rechten Straßenbereich gefahrlos befahren kann und sich dort keine Fahrzeuge befinden. Diese Maßnahmen hätten zu keiner wesentlichen Verzögerung geführt und deswegen trotz der Dringlichkeit der Einsatzfahrt durchgeführt werden müssen, zumal derjenige, der Sonderrechte in Anspruch nehme, zu besonderer Aufmerksamkeit und Vorsicht verpflichtet sei.

Der Fahrer des Pkw des Kl. habe erkannt, dass sich der Fahrer des Feuerwehrfahrzeugs bei fortdauernd eingeschaltetem Blaulicht mit einem am linken Straßenrand stehenden Passanten unterhalten habe. Der Pkw-Fahrer habe deswegen nicht davon ausgehen dürfen, dass die Einsatzfahrt des Feuerwehrfahrzeugs mit dem Anhalten am linken Fahrbahnrand beendet gewesen sei. Er hätte sich vielmehr vergewissern müssen, dass das Feuerwehrfahrzeug die Eilfahrt nicht kurzfristig fortsetzt. Die Abwägung der Verschuldensbeiträge hat den Senat dazu bewogen, das mit der Berufung angegriffene Urteil des LG abzuändern, das von einem überwiegenden Verschulden des Fahrers des Pkw ausgegangen war.

Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Wegen der geringen Höhe des Streitwerts können die Parteien gegen die Nichtzulassung keine Beschwerde beim BGH einlegen.

OLG Stuttgart, Urteil vom 30.1.2018 (12 U 155/17)

(Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 30.1.2018)