Rezension: Recht des Seeverkehrs – Flaggenrechtsgesetz – Seeaufgabengesetz – Schiffssicherheitsgesetz – Seelotsgesetz – Seesicherheits-Untersuchungsgesetz

1. Peter Ehlers hat dieser Tage seine Kommentierung und Textsammlung zum „Recht des Seeverkehrs“ vorgelegt. Das im Nomos-Verlag erschienene Werk umfasst außerhalb des seerechtlichen Teils des HGB die wichtigsten schifffahrtsrechtlichen Gesetze und Verordnungen der Bundesrepublik. Kommentiert werden das Flaggenrechtsgesetz (FlaggenRG), das Seeaufgabengesetz (SeeAufgG), das Schiffssicherheitsgesetz (SchSG), das Seelotsgesetz (SeeLG) sowie das Seesicherheits-Untersuchungs-Gesetz (SUG). Diese Gesetze werden systematisch ausgelegt und erläutert. Im Anhang werden die vollständigen Texte der Flaggenrechtsverordnung, der Schiffssicherheitsverordnung, der Allgemeinen Lotsverordnung sowie der Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung und der Kollisionsverhütungsregelegungen abgedruckt. Schon die Zusammenstellung dieser unterschiedlichen, jedoch miteinander korrelierenden Gesetze und Verordnungen in einem Handbuch ist für den Praktiker von großem Wert. Zugang und Lektüre werden erleichtert durch ein umfassendes Stichwortregister sowie ein sorgfältiges Abkürzungsverzeichnis.
2. Prof. Dr. Peter Ehlers ist für die Kommentierung der genannten Gesetze ausgesprochen gut gerüstet. Als langjähriger Ministerialdirigent und stellvertretender Leiter der Abteilung Seeverkehr des Bundesverkehrsministeriums hat er das deutsche Schifffahrtsrecht wie wenige andere kennengelernt und bearbeitet. Während seiner Ministeriallaufbahn hat er die Gegenstände seiner jetzigen Kommentierung betreut und teilweise maßgeblich beeinflusst. In seiner Zeit als Präsident des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (von 1989 bis 2008) ist er als Leiter dieser wichtigen Bundesschifffahrtsbehörde immer wieder mit der Anwendung und Wirkung der genannten Gesetze befasst gewesen. Er hat sie mit seiner Honorarprofessur an der Universität Hamburg und zahlreichen Veröffentlichungen begleitet. Der Verfasser ist daher wie kaum ein anderer berufen, eine praxisgerechte Kommentierung dieser Gesetze vorzulegen.
3. Aufbau und Gliederung des Kommentarwerks sind übersichtlich. Die Kommentierung der Einzelgesetze folgt jeweils derselben Struktur. Zu Beginn jeder Gesetzeskommentierung findet sich ein umfassender Literatur- und Quellennachweis, auf den in der Einzelkommentierung Bezug genommen wird. Sodann folgt jeweils eine Einleitung, die Anlass, Zweck und Ziel des Gesetzes, seine Entstehungsgeschichte und seine Grundkonzeption darstellt. Der über die Kommentierung von Einzelbestimmungen hinaus interessierte Leser findet hier wertvolle übergreifende – auch verfassungsrechtliche – Hinweise. Die nachfolgende Kommentierung der Einzelbestimmungen ist wiederum klar und übersichtlich gegliedert. Dabei zeichnen sich die Kommentierungen durch einen bündigen und praxisbezogenen Fokus aus.
4. Die Kommentierung der Einzelbestimmungen der verschiedenen Gesetze ist durchweg überzeugend, jedenfalls gut begründet. Widerspruch wird selten herausgefordert. Vor allem im Flaggenrecht macht der Verfasser auch die wirtschaftspolitischen Einflüsse und Steuerungsmechanismen transparent. Das ursprünglich staatsrechtlich und außenpolitisch (auf die „hohe See“) ausgerichtete FlaggenRG ist während der Schifffahrtskrisen der letzten Jahrzehnte für neue Zielsetzungen instrumentalisiert worden. Sie bezwecken die Stützung der deutschen Handelsflotte im Allgemeinen und den Erhalt deutsch geflaggter Handelsschiffe und damit verbundener Arbeits- und Ausbildungsplätze im Besonderen. Das FlaggenRG ist dadurch nicht einfacher geworden. Insbesondere mit seiner eingehenden Kommentierung zu § 7 (zeitweilige Ausflaggung) und § 11 (zeitweilige Einflaggung) macht der Verfasser kompliziert gewordene Einzelbestimmungen (wieder) verständlich.
5. Wünschenswert wäre es gewesen, in der Kommentierung zu § 15 SeeAufgG das Spannungsverhältnis zwischen den pauschalen Bußgeldrahmen von 50 000 und 10 000 Euro zu dem detaillierten Buß- und Verwarngeldkatalog Binnen/See (BVKatBin-See) zu thematisieren. Die weiten Bußgeldrahmen von § 15 Abs. 2 SeeAufgG ziehen Verjährungsfristen von zwei bzw. drei Jahren nach sich (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 und 2 OWiG). Der ministerielle Erlass des BVKatBin-See schreibt demgegenüber den Aufsichtsbehörden sehr genaue und deutlich niedrigere Bußgeldrahmen für alle verkehrsrechtlichen Verstöße auf Binnen- und Seewasserstraßen vor. Die im BVKatBin-See genannten Rahmengrenzen überschreiten – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht den Betrag von 1000 Euro. Gem. § 31 Abs. 2 Nr. 4 OWiG beläuft sich die Verfolgungsverjährung für diese Ordnungswidrigkeiten auf sechs Monate. Die Verwaltungsbehörden legen für dieselben Ordnungswidrigkeiten jedoch die Bußgeldrahmen des § 15 Abs. 2 SeeAufgG zugrunde. Das führt dazu, dass ein Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot oder eine Geschwindigkeitsüberschreitung auf den Seeschifffahrtsstraßen erst nach zwei Jahren verjährt, der gleiche Tatbestand auf einer Landstraße dagegen schon nach längstens sechs Monaten (§ 26 Abs. 3 StVG). Ein von der Bundeslotsenkammer eingeholtes verfassungsrechtliches Gutachten von Prof. Dr. Ivo Appel (Universität Hamburg) vom Dezember 2014 kommt zu dem Ergebnis, dass § 15 Abs. 2 SeeAufgG weder den Anforderungen des Gleichheitssatzes gem. § 3 GG noch denjenigen des Bestimmtheitsgebots gem. Art. 103 Abs. 2 GG entspricht, sofern nicht im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung bei der Bestimmung der verjährungsrelevanten Bußgeldrahmen die Bestimmungen des BVKatBinSee zugrunde gelegt werden.
6. Zu begrüßen ist die Kommentierung zu § 23 Abs. 2 SeeLG, in der klargestellt wird, dass der Lotse auf Verlangen des Kapitäns die nautische Führung des Schiffes und die Bedienung der Manöverelemente übernehmen darf und dabei nicht des Haftungsprivilegs des § 21 Abs. 3 SeeLG verlustig geht. Im Recht der Binnenlotsen ist dies von jeher eindeutig gewesen. Dort muss der Lotse auf Verlangen des Schiffsführers „den Befehl über die Mannschaft und das Steuerruder … übernehmen“ (§ 14 Abs. 3 RheinLotsO). Die Lotsenschaft wäre dem Verfasser allerdings dankbar gewesen, wenn er die prekäre Haftungssituation und Schlechterstellung der deutschen Lotsen gegenüber ausländischen Seelotsen thematisiert hätte.
7. Unsicherheit beim Leser könnte die Kommentierung zu § 41 SUG (S. 405) hinterlassen. Hinsichtlich des öffentlichen Untersuchungsinteresses in Bezug auf Entzug oder Einschränkung eines Befähigungszeugnisses stellt der Verfasser richtig fest, dass zunächst der Untersuchungsbericht der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung abzuwarten ist. Dies folgt aus § 19 SUG, der den grundsätzlichen Vorrang der Seesicherheitsuntersuchung statuiert. Wenn aber der Verfasser dafürhält, dass „bei Dringlichkeit und klarem Sachverhalt [das Seeamt] auch schon vorher tätig werden [kann], dabei aber den Vorrang der Sicherheitsuntersuchung gem. § 19 Abs. 1 beachten muss“, hinterlässt er bei seinem Leser eine gewisse Ratlosigkeit.
8. Ungeachtet der kritischen Betrachtung weniger Einzelkommentierungen bleibt uneingeschränkt festzustellen, dass der Verfasser mit seinem „Recht des Seeverkehrs“ eine große Lücke in der seerechtlichen Kommentarliteratur systematisch geschlossen hat. Die glückliche Zusammenstellung der Kommentierung der wichtigsten Einzelgesetze, ergänzt um den Wortlaut der Bestimmungen wichtiger Verordnungen macht das Werk für jeden mit dem Schifffahrtsrecht arbeitenden Praktiker unverzichtbar. Es sollte in keiner Handbibliothek des mit dem Schifffahrtsrecht befassten Anwenders fehlen.
Der Rezensent, Dr. Detlef Zschoche, ist Rechtsanwalt bei Ince & Co Germany LLP in Hamburg.

Recht des Seeverkehrs
Flaggenrechtsgesetz – Seeaufgabengesetz – Schiffssicherheitsgesetz – Seelotsgesetz – Seesicherheits-Untersuchungsgesetz
Handkommentar
Von Peter Ehlers
(Nomos-Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2017, 523 S., geb., ISBN 978-3-8487-3025-4, 78 Euro)