Rezension: Handbuch der Beweislast – Kommentar in drei Bänden

Bd. 1 dieser Reihe, der Grundlagenband, erschien zuletzt im Jahr 2016 in der 3. Aufl. Seither hat sich in Wissenschaft und Rechtsprechung einiges getan, was Anlass gab, den Grundlagenband mit 617 S. und zwei weitere Bände zu Fragen der Beweislast insbesondere im BGB, in einer weiteren Auflage herauszubringen.
Das Buch lebt von einer mehr als 25 Jahre laufenden Geschichte, die sich aus der umfassenden Darstellung des gesamten Beweisrechts ergibt und im Literaturverzeichnis einen deutlichen Niederschlag gefunden hat. Begründet von Baumgärtel wirkte Laumen schon bald an der Gestaltung entscheidend mit und prägt mit dem ihm eigenen Stil insbesondere diesen Grundlagenband, an dem in einzelnen Kapiteln auch Prütting mitgewirkt hat.
Im Handbuch der Beweislast nimmt die Beweiswürdigung (Kap. 4) eine grundlegende Stellung ein. Wie alle Kapitel schließt Laumen auch dieses mit der Darstellung der eigenen Auffassung. Er setzt sich zusammenfassend mit den zuvor erörterten Theorien auseinander und fügt hinzu, dass die Frage, ob das Abstellen auf Wahrscheinlichkeitserwägungen wirklich zu einer materiellrechtlichen Haftungsausdehnung führt, erst beantwortet werden könne, wenn das Verhältnis von Beweiswürdigung und Beweislast und die Grundsätze für die Bestimmung des Beweismaßes geklärt seien, worauf im zweiten Teil des Buchs eingegangen wird.
Das Beweismaß regelt, wann ein Beweis gelungen ist, ob eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer behaupteten Tatsache spricht.
Das sechste Kapitel befasst sich mit der Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel. Dazu können Videoaufnahmen am Arbeitsplatz ebenso gehören wie solche von Dashcams im Straßenverkehr. Die mit der Verwertung dieser Beweismittel verbundenen Probleme und die kontroversen Auffassungen stellen Laumen und Prütting eingehend dar und bieten dem Leser eine eigene wohl begründete Meinung (S. 117).
Mit der Darstellung des selbstständigen Beweisverfahrens endet der erste Teil.
Im zweiten Teil folgen Ausführungen zur Beweislast, insbesondere zur Beweisführungslast. Für das Verständnis sehr wichtig ist die Abgrenzung der Beweiswürdigung von der Beweislast (Kap. 10). Im dritten Teil bilden Fragen der Beweiserleichterung, der Beweisvereitelung, der Anscheinsbeweis, der Indizienbeweis und Beweisvermutungen Schwerpunkte.
In Kap. 17 überzeugen die zur Arzthaftung aufgeführten Einzelfälle, die nach Stichworten alphabetisch aufgeführt sind (Kap. 17 Rn. 124–171), „Besonders wichtig“ und aktuell sind die Ausführungen zur Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei (S. 491 ff.). Hier zeigt Prütting die Rechtsgrundlagen der prozessualen Aufklärungspflicht (S. 492) ebenso auf, wie neuere Prozessrechtsentwicklungen. Aktuell ist die Rechtsprechung zur sekundären Behauptungslast, die sich nicht mehr auf das Wettbewerbsrecht beschränkt, sondern auf andere Rechtsgebiete erweitert wurde. So wird einem Kl. in jüngerer Zeit geholfen, wenn er den Betreiber eines Seniorenheims wegen unzureichender Pflege auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, wenn er in einem Omnibus als Fahrgast zu Fall gekommen ist oder wenn er als Patient konkrete Anhaltspunkte für einen Hygieneverstoß in einem Krankenhaus vorgetragen hat. Erfüllt die nicht beweisbelastete Gegenpartei in solchen Fällen die ihr obliegende Substantziierungslast nicht, ist auch pauschales Vorbringen der beweisbelasteten Partei als zugestanden anzusehen.
In Kap. 23 widmet sich Laumen dem „Beweis für das äußere Bild“, ein Begriff, der sich in den letzten Jahrzehnten im Versicherungsvertragsrecht entwickelt hat.
Nach Erläuterungen zur Parteivernehmung von Amts wegen bei Beweisnot folgt das Kapitel zur Beweislastumkehr. Diesem Thema sind umfangreiche Ausführungen zum Arzthaftungsrecht gewidmet. Dabei stellt Prütting klar, dass eine Beweislastumkehr nicht nur bei groben Behandlungsfehlern, sondern auch bei der Anfängeroperation und beim Befunderhebungsfehler eine oft entscheidende Rolle spielt.
Bd. 1 schließt mit dem Kapitel zu Parteivereinbarungen mit beweisrechtlichem Bezug.
Schon hier kann gesagt werden, dass die Lektüre für jeden im Zivilprozess tätigen Juristen unverzichtbar ist. Das gilt nicht nur für Rechtsanwälte, sondern in besonderem Maß und erst recht für Richter, denen bei Beweiserhebung und Beweiswürdigung keine Fehler unterlaufen sollten. Anwälte müssen das Beweisrecht kennen, weil sie verpflichtet sind, vorhersehbaren Fehlern des Gerichts durch geeigneten Sachvortrag vorzubeugen.
Bd. 2 (§§ 1–811 BGB) beeindruckt mit einem Umfang von 1789 S. An der Bearbeitung sind 20 Autoren beteiligt, alle herausragende Kenner der von ihnen bearbeiteten Materie. Die Vorauflage war 2011 abgeschlossen, sodass bis 2018 zahlreiche neue gesetzliche Regelungen und neue Entscheidungen einzuarbeiten waren.
Die §§ 1–144 und 194–240 BGB bearbeitet Kessen. Hervorzuheben sind u. a. die §§ 31a und 31b in der 2013 in Kraft getretenen Fassung, in denen die Beweislast dem Verein bzw. dem Vereinsmitglied auferlegt ist. Neu kommentiert sind auch die Normen der §§ 126a und 126b BGB, die sich mit Beweisfragen zur elektronischen Form und zur Textform befassen. Die gründliche Bearbeitung der Normen zur Verjährung berücksichtigen neue Entscheidungen zum Verjährungsrecht.
Umfangreich ist die Kommentierung von Prütting (§§ 145–193 BGB) zu § 164 BGB, zur Wirkung der Erklärung des Vertretenen, insbesondere zur Behauptung eines Bekl., als Vertreter gehandelt zu haben.
Repgen widmet sich den Beweisfragen zum wichtigen § 242 BGB und später den Normen §§ 275–304 und 311–326 BGB, bevor Luckey die §§ 249–255 BGB kommentiert. Die anschließende Bearbeitung übernimmt Pöpel (§§ 255–274 BGB), der sich mit den §§ 270a und 271a BGB (Vereinbarungen über Entgelte und Zahlungsfristen) befasst hat.
Schmidt-Eichhorn (§§ 305–310 BGB) hat das umfangreiche Kapitel der Beweislast bei AGB bearbeitet, bevor sich wiederum Repgen den Bestimmungen der §§ 311–326 BGB widmet, von denen seit 2002 die §§ 311a ff. BGB die früheren §§ 306 ff. BGB ersetzt haben und die §§ 312a–312k BGB, die durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eingefügt wurden.
Laumen kommentiert u. a. die §§ 336–371 BGB, darunter die wichtigen Normen des Rücktritts und des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen. Es folgt Kellermann zu den §§ 372–432 BGB.
Im Kaufrecht widmet sich Becker eingehend den Beweislastfragen bei den Sach- und Rechtsmängeln und der in § 477 BGB geregelten Beweislastumkehr. Anschließend bearbeitet Müller die Besonderheiten der Beweislastregelungen im UN-Kaufrecht in einem sehr umfangreichen Kapitel. Fragen des Gefahrübergangs nach Übergabe spielen dabei mit vielen Einzelfragen eine Rolle, ebenso wie der Gefahrübergang bei reisender Ware und in sonstigen Fällen.
Die Regeln des Darlehnsvertrags (§§ 488 ff. BGB) erläutert Bülow. Becker bearbeitet anschließend die Schenkung (§§ 516 ff. BGB).
Ein umfangreiches Kapitel, den Mietvertrag (§§ 535 ff. BGB), bearbeitet Börstinghaus. Eine Forderung nach Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln wirft besonders zahlreiche Beweisfragen auf, ebenso sind Fragen bei der Beendigung des Mietverhältnisses, wie Kündigung, Verlängerungen des Mietverhältnisses und zu den Rückgabepflichten des Mieters vielfach beweisbedürftig. Über Modernisierungsmaßnahmen (§§ 555a–555f BGB) des Vermieters muss ebenfalls zwischen den Parteien des Mietvertrags häufig streitig entschieden werden. Beweisfragen nach Kündigung des Mietverhältnisses (§§ 561 ff BGB) kommentiert Kraeft, die Bearbeitung der Regeln des Pachtvertrags (§§ 581 ff. BGB) hat Laumen übernommen.
Im Rahmen der Kommentierung des Dienstvertrags (§§ 611 ff. BGB) hat Gäntgen ein sehr umfangreiches Kapitel mit zahlreichen Stichworten zum Arbeitsvertrag vorgelegt. Eingehend ist auch § 619a BGB, Beweislast bei Haftung des Arbeitnehmers, kommentiert.
Die sich anschließenden Normen des Patientenrechtegesetz (§§ 630a–630h BGB) kommentiert Repgen und kann dafür auf die bisherige Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht zurückgreifen, weil bisher erst wenige Entscheidungen zum Patientenrechtegesetz veröffentlicht wurden; Arzthaftungsprozesse dauern eben viele Jahre, manchmal mehr als ein Jahrzehnt. Repgen berücksichtigt die zum Arzthaftungsrecht ergangene Literatur, die aber ebenfalls wenig Neues zum Patientenrechtegesetz selbst zu bieten hat. Insgesamt wird der Leser für die Beantwortung von Fragen zur Beweislast im Arzthaftungsrecht ergänzend auf die Kommentierung von Katzenmeier zu §§ 823 BGB im dritten Band zurückgreifen müssen, der die Materie dort umfassend bearbeitet hat.
Küpper bearbeitet das Werkvertragsrecht, das – wie das Recht des Dienstvertrags – besonders zahlreiche Beweislastfragen aufwirft. Er zeichnet auch verantwortlich für die Kommentierung der §§ 650a–650o BGB, und später für das Maklerrecht, bevor Lauer ab § 650p die Kommentierung des Architektenrechts übernimmt und Wurm die Bestimmungen die §§ 1–18 der VOB/B erläutert.
Im Reiserecht (§§ 651a–651l BGB) hat Eyinck die neueste Rechtsprechung und Gesetzesänderungen eingearbeitet.
Der Herausgeber Laumen zeichnet u. a. weiter verantwortlich für die umfangreiche Kommentierung des Auftragsrechts (§§ 662 ff. BGB) zur entgeltlichen Geschäftsbesorgung und Zahlungsdienste und zur Geschäftsführung ohne Auftrag. Timme zum Gesellschaftsvertrag (§§ 705 ff. BGB) und Hövermann u. a. zur Gemeinschaft, Leibrente, Bürgschaft, Schuldversprechen und Schuldverschreibung beenden die Kommentierung des zweiten Bandes.
Band 3 (§§ 812–2385 BGB) wurde von 12 Autoren bearbeitet und umfasst 1391 S.
In diesem Band startet Baack mit der Kommentierung der §§ 812 ff. BGB. Schon der Herausgabeanspruch aus § 812 BGB ist sehr umfangreich kommentiert, stellen sich doch zahlreiche Beweislastfragen, die in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet werden. Den Bereicherungsschuldner trifft nach Ansicht der Rechtsprechung eine sekundäre Darlegungslast als Fall der konkreten Behauptungslast (§ 812 Rn. 21). Einzelfragen der Beweislast bei der Kondiktion werden in alphabetischer Reihenfolge dargestellt.
Das Recht der unerlaubten Handlung (§§ 823–853 BGB) bearbeiten Katzenmeier und Luckey. Katzenmeier hat das Privileg, „seine Materie“, das Arzthaftungsrecht, im Rahmen des § 823 BGB umfassend zu kommentieren. Dies geschieht in Anh. II, während Sportunfälle in Anh. I und die Produzentenhaftung von ihm in den Anh. III und IV behandelt werden. Ein Schwerpunkt der Kommentierung von Luckey liegt im Personenschadensrecht (§§ 842 ff. BGB) einer Materie, der auch sein Buch Personenschaden jetzt in der 2. Aufl., gewidmet ist.
Die Bestimmungen des Sachenrechts (§§ 854 ff. BGB) bearbeitet Schmidt-Eichhorn. Der Abschnitt zur Beweisführung im Grundbuchverfahren (Anh. zu § 873 BGB) bildet einen Schwerpunkt seiner Ausführungen. Das Eigentumsrecht kommentiert Schuschke (§§ 904–1003 BGB) bevor Laumen die Normen §§ 1004–1011 BGB übernimmt und Hogenschurz Beweisfragen zum WEG bearbeitet.
Die schon erwähnte Autoren Schuschke und Schmidt-Eichhorn kommentieren sodann das Erbbaurechtsgesetz und die §§ 1018–1111 BGB und ab §§ 1113 ff. BGB.
Die (seltenen) Beweislastfragen zu Pfandrechten an beweglichen Sachen (§§ 1204 ff. BGB) erläutert Eyinck.
Zum Familienrecht erörtert zunächst Laumen Beweisfragen zur Nichtehelichen Lebensgemeinschaft (§§ 1353 ff. BGB). Dehmer und Schick bearbeiten die weiteren familienrechtlichen Beweisfragen (§§ 1360–1407 BGB) anschließend kommentiert Laumen Beweisfragen des vertraglichen Güterrechts. Die Kommentierung der Regeln über den Unterhalt der geschiedenen Ehegatten (§§ 1569 ff. BGB) und die Regeln über die Unterhaltspflicht (§§ 1601 ff. BGB) obliegen wiederum Dehmer, während Laumen die Normen über die Abstammung mit zahlreichen Beweisfragen bearbeitet.
Das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern und dem Kind, die elterliche Sorge, die Beistandschaft, die Annahme von Kindern, die Vormundschaft und die rechtliche Betreuung sind Rechtsgebiete, die dem Autor Hohmann die Kommentierung von Beweisfragen in überschaubarem Rahmen ermöglichen.
Die abschließende Kommentierung des Erbrechts obliegt Schmitz, der dabei seine umfassenden Kenntnisse im Erb- und Notarrecht einbringen kann. Zu Recht hat er auch § 2355 a. F. BGB noch kommentiert, weil nicht alle Erbfälle, die bis zum 16. 8. 2015 eingetreten sind, abgeschlossen sein dürften.
Die Bd. 2 und 3 führen den Leser durch das gesamte BGB. Der Umfang der Bände belegt, welchen Aufwand Herausgeber und Autoren betrieben haben, um der fast unvorstellbaren Materialflut Herr zu werden. Sie haben eine Vielzahl neuerer und neuster Entscheidungen eingearbeitet und sich nicht zuletzt zahlreichen neuen gesetzlichen Bestimmungen gewidmet, auf deren Kommentierung Richter und Rechtsanwälte bei der täglichen Arbeit angewiesen sind.
Immer wieder aber ist auf den Grundlagenband (Bd. 1) zu verweisen, ohne den das Verständnis für die Beweislast in den Einzelnormen gar nicht möglich wäre.
Der Rezensent, Lothar Jaeger, ist Vorsitzender Richter am OLG Köln a. D.

Handbuch der Beweislast
Kommentar in drei Bänden
Von Gottfried Baumgärtel/ Hans-Willi Laumen/ Hanns Prütting (Hrsg.)
(Carl Heymanns Verlag, Köln, 4. Aufl. 2018, 4020 S., geb., ISBN 978-3-452-29003-8, 289 Euro)

(Die Rezension ist abgedr. in VersR 2019, 531)