Rezension: Grenzüberschreitende Übertragung von Erst- und Rückversicherungsbeständen im Spannungsfeld von Zivil- und Aufsichtsrecht

Grenzüberschreitende Übertragung von Erst- und Rückversicherungsbeständen im Spannungsfeld von Zivil- und Aufsichtsrecht

Von Thomas Seemayer
(Verlag Versicherungswirtschaft, Karlsruhe 2016, 332 S., kart., DIN A5, ISBN: 978-3-89952-905-0, 49,99 Euro; Bd. 28 der Düsseldorfer Reihe – Düsseldorfer Schriften zum Versicherungsrecht)
Nach Schmid (2010) und Bornschlegl (2014) kommt nun mit Seemayer (2016) die dritte Dissertation im noch jungen 21. Jahrhundert zu dem Thema „Bestandsübertragung“. Fast könnte man noch Müller-Magdeburg (1996) dazuzählen. Deutlich wird, dass es um wissenschaftlich hochinteressante Fragen geht.
Das Buch von Seemayer ist eine Dissertation der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf auf der Grundlage des VAG in der Fassung, die bis Ende 2015 galt und auf die im Folgenden jeweils Bezug genommen wird. Das mindert aber ihren Wert nicht, da sich an den einschlägigen Vorschriften des VAG nichts geändert hat, auch nicht an den zugrunde liegenden Vorschriften des EU-Rechts.
Die 290 Seiten des Werks sind in fünf Teile gegliedert (erster Teil: Einführung [bis S. 34], zweiter Teil: Bestandsübertragung nach dem VAG [bis S. 222], dritter Teil: Grenzüberschreitende­ Bestandsübertragungen – Fallkonstellationen [bis S. 246], vierter Teil: Internationale Aspekte [bis S. 284] und fünfter Teil: Schlussbemerkung [bis S. 290]). Den im Titel verheißenen Kern bilden die 24 Seiten 223 bis 246. Das entspricht dem Muster vieler Dissertationen, die zunächst aufwendig Historie und Umfeld des Themas ausleuchten, um dann zur Sache zu kommen.
Sehr erfreulich ist die in allen Bereichen erfolgte Einbeziehung der Rückversicherungsaufsicht. Hier weist Seemayer z. B. auf Gefahren für die Interessen der Versicherten bei einer Bestandsübertragung nach England hin (S. 94).
Auf S. 107 f. erörtert der Autor Bestandsübertragungen zwischen einem Erstversicherer im Inland und einem im Ausland. Diese Fälle erfasst der Wortlaut des § 14 Abs. 1 VAG nach seiner Ansicht nicht. Er weist dann auf Ausführungen des Rezensenten hin, wonach § 14 Abs. 1 VAG auch diese Fälle betrifft, soweit der Arm des deutschen Gesetzgebers reicht und soweit das Sinn hat. Speziell zur Übertragung eines ausländischen Bestands von einem ausländischen auf einen deutschen Versicherer hält er die (einseitige) Anwendung von § 14 Abs. 1 VAG zur Erzeugung der Rechtsfolgen des § 14 Abs. 5 VAG (Wechsel des Vertragspartners) jedenfalls dann für sinnvoll, wenn aufseiten des abgebenden Versicherers keine Genehmigungspflicht besteht, was allerdings lediglich bei Drittlandsversicherern denkbar ist.
Seemayer ordnet die Bestandsübertragung der Finanzaufsicht zu. Undeutlich bleibt, ob das vielleicht zusätzlich zur Rechtsaufsicht im Allgemeinen gelten soll. Eine Zuordnung der Genehmigung zur Finanzaufsicht werde auch von den behördlichen Zuständigkeitsregelungen im VAG im Zusammenhang mit dem Herkunftslandprinzip der Richtlinienregelungen bestätigt. Danach entscheide bei grenzüberschreitenden Übertragungsvorgängen der Home Regulator als Aufsichtsbehörde des Sitzlands allein (S. 186 und 189). Richtig weist er darauf hin, dass bei grenzüberschreitenden Bestandsübertragungen grundsätzlich alle Versicherungsaufsichtsbehörden mitwirken, die von der Übertragung berührt werden (S. 189).
Will ein Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem EU-/EWR-Staat einen Versicherungsbestand mit Risiken, die innerhalb der Gemeinschaft, aber außerhalb Deutschlands belegen sind, auf einen Versicherer mit Sitz in Deutschland übertragen, so sieht der Autor hierfür keine ausdrückliche gesetzliche Regelung. Er erwägt für diesen Fall einen Rückgriff auf die „Auffangfunktion“ des § 14 Abs. 1 VAG und verweist insofern in Fn. 904 auf seine Ausführungen zur Übertragung eines inländischen Bestands ins Ausland. Die Bedeutung des Verweises erschließt sich freilich dem Leser nicht so recht.
Die Arbeit zeigt beachtliche Eindringtiefe. Seemayer verarbeitet eine große Materialmenge verständig. Die Arbeit verdeutlicht die Schwierigkeiten des Rechtsgebiets. Für weitere Arbeiten zu dem Thema ist noch Raum.
Der Rezensent, Detlef Kaulbach, Vizepräsident des BAV a. D., ist Rechtsanwalt in der Kanzlei DLA Piper UK LLP, Köln.

(abgedr. in VersR 2016, 708)