SG Stuttgart: Keine Erstattung der Witwenrente, wenn eine Anrechnung der Altersrente auf die Hinterbliebenenrente unterblieben ist

Bewilligt dieselbe Behörde einer Versicherten zwei Renten (Witwenrente und Altersrente) und teilt sie in den Rentenanpassungsmitteilungen die jeweils aktuelle Rentenhöhe für beide Renten im selben Schreiben mit, so muss der Versicherte nicht damit rechnen, dass eine Anrechnung der Altersrente auf die Hinterbliebenenrente unterblieben ist.

Tatbestand:

Die Klägerin bezog seit dem Jahr 2000 von der Beklagten eine Witwenrente. Im Jahr 2003 beantrage sie bei der Beklagten eine Altersrente. Ob sie in dem Antrag auf Altersrente den Bezug der Witwenrente angegeben hat, lies sich nicht mehr ermitteln, da die Beklagte den Antrag vernichtet hat. Die Beklagte gewährte der Klägerin ab Juni 2003 eine Altersrente. Eine Anrechnung der Altersrente auf die Witwenrente der Klägerin unterblieb. Erst nach einem Zeitraum von über 11 Jahren erfuhr die für die Witwenrente zuständige Sachbearbeitung von der Gewährung einer Altersrente. Die Beklagte hob die Witwenrente in der Folgezeit ab Juni 2003 teilweise auf und verfügte die Erstattung des überzahlten Betrages von nahezu 9.000 €. Eine Reduzierung im Ermessenswege erfolgte nicht.

Aus den Gründen:

Die Kammer hat den Bescheid aufgehoben, da die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 SGB X (i.V.m. § 45 Abs. 3 S. 3 und 4) nach einer Zeit von über 10 Jahren seit Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr vorlägen, da eine Mitteilungspflichtverletzung der Klägerin nicht nachweisbar sei und sie davon habe ausgehen können, dass die Beklagte, die ja beide Renten bewilligt habe und die über die jährliche Anpassung beider Renten in einem Schreiben informiert habe, auch bei der Bewilligung berücksichtigt habe, dass zwei Renten gezahlt würden. Die Fehlerhaftigkeit der unverminderten Weitergewährung der Witwenrente habe die Klägerin nicht erkannt und auch nicht erkennen müssen. Zudem habe die Beklagte ihr Mitverschulden nicht hinreichend bei der Ermessensausübung berücksichtigt.

SG Stuttgart, Urteil vom 23.6.2017 (S 13 R 5384/15)

Auszug der aktuellen Rechtsprechung des SG Stuttgart (Stand: August 2017)

Jürgen Jahnke, Mit § 119 SGB X zwischen den Stühlen

Der Aufsatz von Jürgen Jahnke mit dem Titel „Mit § 119 SGB X zwischen den Stühlen“ ist zugleich eine Anmerkung zum Urteil des OLG Braunschweig vom 27. 10. 2015 (7 U 61/14) das in VersR 2016, 620 veröffentlicht ist.
Das Braunschweiger Verfahren (LG und OLG) befasst sich mit der Kürzung einer Altersrente nach § 77 SGB VI – trotz vollem Rentenbeitragsregress nach § 119 SGB X – als Folge eines Haftpflichtschadens sowie der Bedeutung des § 187 a SGB VI in diesem Zusammenhang.
Der Kl. verlangt im Zivilrechtsweg von der bekl. Haftpflichtversicherung des Schädigers Schadensersatz, da der gesetzliche Rentenversicherer ihm unter Hinweis auf § 77 SGB VI nur eine gekürzte Regelaltersrente zahlt. Parallel führt der Kl. einen Prozess gegen den Rentenversicherungsträger vor dem SG mit dem Ziel einer Neubewertung seiner auf dem Beitragskonto befindlichen Rentenversicherungsbeiträge. Beide Verfahren haben identische Anliegen: Würde der Kl. in beiden Verfahren obsiegen, wäre er in Höhe der mit der Zivilklage geltend gemachten Rentendifferenz bereichert. Weiterlesen…