OLG Hamm: Ampel von Grün auf Gelb – Anhalten vor der Ampel ist Pflicht

Ein Kfz-Fahrer verstößt gegen das Gebot, beim Wechsel einer Ampel von Grün auf Gelb anzuhalten, wenn er mit seinem Fahrzeug in den Kreuzungsbereich einfährt, obwohl er mit einer normalen Betriebsbremsung zwar jenseits der Haltelinie, aber noch vor der Ampelanlage hätte anhalten können. Das hat der 6. Zivilsenat des OLG Hamm am 30. 5. 2016 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des LG Dortmund bestätigt.

Tatbestand

Der heute 65 Jahre alte Kl. befuhr mit seinem Motorroller im September 2012 morgens die Radbodstraße in Hamm in nördlicher Richtung und beabsichtigte die Kreuzung zur Dortmunder Straße geradeaus zu überqueren. In den Kreuzungsbereich fuhr er ein, als die für ihn geltende Ampel von Rot/Gelb auf Grün umsprang. Aus der Gegenrichtung näherte sich der Bekl. mit seinem Sattelzug auf der Linksabbiegespur der Radbodstraße. Der Bekl. beabsichtigte, nach links in die Dortmunder Straße einzubiegen und fuhr in den Kreuzungsbereich ein, – dies ergab die im gerichtlichen Verfahren durchgeführte Beweisaufnahme – nachdem die für ihn geltende Ampel von Grün auf Gelb umgesprungen war. Der Kl. leitete eine Vollbremsung ein, geriet mit seinem Motorroller in eine Schräglage und kollidierte mit dem Unterfahrschutz des Sattelaufliegers. Er zog sich diverse, zum Teil schwere Verletzungen – einschließlich des Verlustes der Milz – zu. Die ihm entstandenen Schäden, materielle Schäden in Höhe von ca. 13 500 Euro sowie ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 40 000 Euro, verlangte der Kl. im Prozess vom Bekl. und der mitverklagten Haftpflichtversicherung ersetzt.
Nach durchgeführter Beweisaufnahme zum Unfallhergang hat das LG der Klage dem Grunde nach mit einer Haftungsquote von 70 % zugunsten des Kl. stattgegeben und ein mit 30 % zu bewertendes klägerisches Mitverschulden angenommen.
Die Berufung der Bekl. gegen das landgerichtliche Urteil war erfolglos geblieben. Der 6. Zivilsenat des OLG Hamm hat das landgerichtliche Urteil bestätigt.

Aus den Gründen:

Der Bekl. habe den Unfall überwiegend verschuldet, so der Senat. Ihm sei ein Gelblichtverstoß vorzuwerfen. Das Gelblicht einer Ampel ordne an, das nächste Farbsignal der Ampelanlage abzuwarten. Sei das nächste Farbsignal – wie im vorliegenden Fall – ʺrotʺ, habe der Fahrer anzuhalten, soweit ihm dies mit normaler Betriebsbremsung vor der Ampelanlage möglich sei. Andernfalls dürfe er weiterfahren, müsse aber den Kreuzungsbereich hinter der Lichtzeichenanlage möglichst zügig überqueren.
Im vorliegenden Fall habe der Beklagte anhalten müssen und die für ihn geltende Ampelanlage nicht mehr passieren dürfen. Er habe den Sattelzug vor Beginn der Rotlichtphase mit einer normalen Betriebsbremsung vor der Ampelanlage anhalten können. Das stehe nach dem im Prozess eingeholten Sachverständigengutachten fest.
Ob der Bekl. noch vor der Haltelinie seiner Ampelanlage habe zum Stehen kommen können, sei nicht entscheidend. Wer die Haltelinie überquere, ohne einen Verkehrsverstoß zu begehen, dürfe dann nicht in jedem Fall an der Gelb- oder Rotlicht zeigenden Ampelanlage vorbeifahren. Er müsse vielmehr anhalten, wenn er mit normaler Betriebsbremsung noch vor der Ampelanlage zum Stehen kommen könne. Andernfalls gefährde er den Querverkehr in einer nicht hinnehmbaren Weise. Dies gelte besonders, wenn er, was auf den Bekl. zutreffe, ein großes und schwerfälliges Fahrzeug lenke, mit dem er bei Gelblicht nur langsam in den Kreuzungsbereich einfahren könne.
Abgesehen von dem Gelblichtverstoß sei dem Bekl. vorzuwerfen, dass er den Sattelzug nicht angehalten und seinen Abbiegevorgang abgebrochen habe, als der Kläger in den Kreuzungsbereich eingefahren sei. Er habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass der Kl. ihm, dem Bekl., als „Kreuzungsräumerʺ den Vorrang belasse.
Im Verhältnis zum Bekl. stelle sich das unfallursächliche Verschulden des Klägers als weniger gewichtig dar. Ihm sei vorzuhalten, dass er in den Kreuzungsbereich eingefahren sei, ohne auf den sich im Kreuzungsbereich bewegenden Sattelzug des Bekl. zu achten. Er habe sich nicht so verhalten, wie es von einem Verkehrsteilnehmer erwartet werden müsse, der eine Gefährdung Anderer möglichst auszuschließen habe.
Die Verursachungsbeiträge des Klägers und des Bekl. am Unfall habe das LG unter Berücksichtigung der Betriebsgefahr beider Fahrzeuge zutreffend abgewogen, die festgestellte Haftungsquote von 70 % zulasten des Beklagten sei nicht zu beanstanden.
OLG Hamm, Urteil vom 30. 5. 2016 (6 U 13/16)

Pressemitteilung des OLG Hamm vom 30. 8. 2016