VersR REPORT: Neuere Rechtsprechung zur Haftpflichtversicherung

Heute setzen wir unsere Online-Berichterstattung fort mit einem Rückblick auf die neuen Entwicklungen in der Haftpflichtversicherung, im Anschluss an die Berichte zum allgemeinen Teil des VVG vom 15. Januar (Prof. Dr. Manfred Wandt) und zur Sach- und Schadenversicherung vom 15. Februar (Prof. Dr. Theo Langheid). Im nächsten Bericht am 15. April finden Sie die Personenversicherung von Prof. Dr. Dirk Looschelders.

I. Subsidiarität

Nach OLG Frankfurt (Urt. v. 2.2.2022 – 7 U 132/20, VersR 2022, 753) ist, wenn eine Subsidiaritätsklausel in einem Haftpflichtvertrag, nach der anderweitig bereits bestehende Versicherungsverträge dem fraglichen Vertrag vorgehen sollen, einen Schaden decken soll, zeitlich nicht auf die bereits bei Vertragsschluss bestehenden Primärverträge abzustellen, sondern es soll auf den Primärvertrag ankommen, der zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls existiert. Nur die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verträge kämen als vorangehende Primärversicherungen in Betracht. Soweit für die Frage der Subsidiarität auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls abgestellt wird und nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses der nur subsidiärer geltenden Versicherung, sollte das nur bei qualifizierten Abreden eine Rolle spielen können, denn bei einfachen Subsidiärabreden kommt es auf den tatsächlich bestehenden oder eben nicht bestehenden Deckungsschutz (und nicht auf die Existenz anderer Versicherungsverträge) an. Nur bei qualifizierten Klauseln (die auf das bloße Vorhandensein einer Primärversicherung abstellen) kann maßgeblich der Zeitpunkt sein, in dem die primäre Versicherung abgeschlossen wurde. (Das wird in der hier besprochenen Entscheidung verkannt: das OLG geht davon aus, dass der Verwender der Klausel nur dann haftet, wenn der VN aus dem anderen Vertrag keine Deckung erhält. Tatsächlich ist es andersherum, vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 31. Aufl., § 78 Rz. 31). Nachträgliche Änderungen können an dem durch diesen Vertrag begründeten Deckung nichts ändern. Davon zu unterscheiden ist die Frage der Eintrittspflicht aus dem Subsidiärvertrag; bei diesem kommt es tatsächlich auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls an.

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VersR BLOG: Schon wieder: Sex in the City!

Mitte letzten Jahres (s. VersR BLOG vom 29.6.2022) mussten wir uns mit einem Hyundai Genesis beschäftigen, in dem sich eine Dame mit einem Papillomavirus angesteckt und dafür von dem Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs GEICO 5,2 Mill US-$ verlangt und auch erstinstanzlich zugesprochen bekommen hat (dem Vernehmen nach hatte das Urteil in der Berufungsinstanz keinen Bestand). Während es dort um Sex in einem Fahrzeug ging, geht es jetzt um Sex auf einem Fahrzeug. Denn es ist schon wieder zu einem Vorfall mit geschlechtsvereinigendem Hintergrund gekommen, der die Gerichte beschäftigte. Dieses Mal nicht in Missouri, sondern in Köln. Nachweislich war ein Paar eines Nachts von einem unwiderstehlichen Drang nach körperlicher Zärtlichkeit überkommen worden und lebte diesen Drang, weil man sich gerade in einem Parkhaus befand, auf der Motorhaube eines dort geparkten Mercedes aus. Da die beiden wegen der Kürze der Aufnahmen durch die Überwachungskameras unerkannt entkommen konnten, nahm der Mercedes-Eigentümer den Pächter des Parkhauses (und mittelbar sicher auch seinen Haftpflichtversicherer) wegen einer Verletzung der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht in Anspruch.

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VersR BLOG: Viel Lärm um (fast) nichts – Die Folgen unwirksamer Prämienanpassungen in der PKV

Es ist in den vergangenen Jahren viel gestritten worden um die Prämienanpassung in der PKV. Erst ging es um die Unabhängigkeit oder vielmehr die Abhängigkeit des Treuhänders (BGH v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17, VersR 2019, 283), dann ging es um die Wirksamkeit einer Prämienanpassung (BGH v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19, VersR 2021, 240) und am Ende ging es um die Frage, ob der Krankenversicherer entreichert ist, wenn er Anteile der zu Unrecht empfangenen Prämie für den genossenen Versicherungsschutz verwandt hat und/oder dem VN für die Alterungsrückstellung, den Beitragszuschlag gem. § 149 S. 1 VAG und für die Zuschläge nach §§ 7 und 8 KVAV gutgeschrieben hat (BGH v. 21.9.2022 – IV ZR 2/21, VersR 2022, 1414).

Der BGH hat eine solche Entreicherung verneint und dabei zunächst festgestellt, dass der Versicherungsvertrag auch bei unwirksamer Erhöhungsforderung fortbestehe und sich deswegen am versprochenen Versicherungsschutz nichts ändere. Nur wenn die „freiwerdenden Mittel (…) ersatzlos verbraucht“ seien, nachdem der Bereicherungsschuldner damit eigene Verbindlichkeiten getilgt habe, könne eine Entreicherung eintreten. Also nur, wenn also die ungerechtfertigte Mehreinnahme vollständig für Schäden verbraucht sei; das aber würde die Beklagte selbst nicht behaupten. Dann stellt der BGH (VersR 2022, 1414) fest, durch „den Verweis auf die aufsichtsrechtlichen Vorschriften zur Prämienkalkulation in § 203 Abs. 1, Abs. 2 S. 4 VVG [habe] der Gesetzgeber zwar den materiellen Kern dieser Bestimmungen im Vertragsrecht abgebildet (vgl. BGH v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 = VersR 2019, 283; BGH v. 16.6.2004 – IV ZR 117/02, VersR 2004, 991)“, aber § 203 Abs. 5 VVG enthalte „eine versicherungsvertragliche Regelung zum Wirksamwerden der Prämienanpassung im Verhältnis zum einzelnen VN, die nicht von den aufsichtsrechtlichen Vorschriften zur Prämienkalkulation verdrängt“ werden könne. Auch mit Billigkeitserwägungen könne der „Bereicherungsanspruch des Klägers nicht eingeschränkt werden“. Das ginge nur, wenn der Schutzzweck der Norm, auf deren Anwendung die Unwirksamkeit der Verträge beruht, eine etwaige Rückabwicklung verhindern wolle. Das aber sei „hier (…) nicht der Fall. Die Vorschrift über das Wirksamwerden der Prämienanpassung in § 203 Abs. 5 VVG [diene] dem Informationsrecht des VN (BGH v. 16.12.2020 – IV ZR 294/19, VersR 2021, 240 Rz. 44) und nicht einem Interesse des Versicherers – oder auch des Versichertenkollektivs – am Behaltendürfen nicht geschuldeter Prämien“. Mit anderen, einfacheren Worten: die Kalkulationsvorgaben des Aufsichtsrechts können die zivilrechtlichen Vorgaben für eine wirksame Prämienanpassung nicht verdrängen.

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VersR BLOG: Jott & Pott – Echte Freunde stehen zusammen

Das muss man Nicht-Rheinländern erst mal erklären. Die Karnevalsband „De Höhner“ hatte 2008 einen Hit mit dem Titel „Echte Fründe“, die „zusameston su wie ene Jott un Pott“; übersetzt soll das heißen, dass wahre Freunde zusammenhalten wie Pech und Schwefel. Das wird man von den beiden Herren, die sich als Vorsitzende des 1. und des 3. Zivilsenats des OLG Bamberg nicht über die Zuständigkeit ihrer Senate einigen konnten, nicht sagen können. Vielmehr ist hier eine Entlehnung aus der Fußballersprache angezeigt: Echte Freunde werden die nicht mehr. Weiterlesen…

VersR BLOG: Als das Wünschen nicht mehr geholfen hat – Wie das Gendern zur Pflicht wurde

Der Vorsitzende Richter hatte es auf den Punkt gebracht: „Der Gendergap muss weg“, so wurde das Petitum des VW-Mitarbeiters Alexander B. gegen die Fa. Audi auf die einfachst mögliche Weise zusammengefasst. Dieser klagt gegen Audi vor dem LG Ingolstadt gegen die Belästigung durch inklusive Sätze wie „Der_die BSM-Expert_in ist qualifizie_r Fachexpert_in … .“ (83 O 1394/21). Ein Urteil ist am 29.7.2022 gefällt worden und es ist gegen den Kläger ausgefallen, obwohl die Kammer einen von der Stimme der Vernunft getragenen Einigungsvorschlag („dann schreiben Sie ihm doch halt normal“) unterbreitet hatte, der auf ein anderes Ergebnis hoffen ließ. Weiterlesen…