Karwatzki/Golling: Das Dilemma des unmittelbar vor Ablauf der Verjährungshöchstfrist in Anspruch ­genommenen Gesamtschuldners

Die erst kürzlich ergangene BGH-Entscheidung zum Beginn der zehnjährigen Verjährungshöchstfrist bei Vorliegen eines vertraglichen Widerrufsrechts hat noch einmal eindrucksvoll gezeigt, dass auch 17 Jahre nach der Neuregelung der Verjährungsvorschriften noch ungeklärte Rechtsfragen zu Tage treten. In den Fokus rückt dabei vermehrt die kenntnisunabhängige Verjährung nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 4 BGB, was sich relativ leicht damit erklären lässt, dass die seit dem 1.1.2002 geltende zehnjährige Verjährungshöchstfrist überhaupt erst ab dem Jahr 2012 praktische Bedeutung erlangen konnte. Dies gilt auch für eine Fallkonstellation, die insbesondere im Bereich der fehlerhaften Anlageberatung anzutreffen ist und die sich am einfachsten anhand des nachfolgenden Beispielsfalls illustrieren lässt:

Ein privater Anleger (im Folgenden: A.) erwirbt auf Anraten seines Finanzberaters (im Folgenden: F.) am 15.7.2008 Anteile an einem Schiffsfonds. Im Zuge der Beratung verharmlost F. die mit dem Investment einhergehenden Risiken. Nach Insolvenzanmeldung durch die Fondsgesellschaft am 1.3.2018 erlangt A. gerade noch rechtzeitig vor Ablauf der zehnjährigen Verjährungsfrist von der pflichtwidrigen Beratung des F. Kenntnis. Er klagt deshalb am 14.7.2018 im Wege des Schadensersatzes auf Rückabwicklung der von ihm erworbenen Beteiligung. Die Klage richtet sich jedoch nicht gegen F., sondern gegen eine der Gründungsgesellschafterinnen des Schiffsfonds (im Folgenden: G.). Die Inanspruchnahme der G. begründet A. zutreffend damit, dass diese sich die Beratungsversäumnisse des F. zurechnen lassen müsse.

G. sieht der Inanspruchnahme durch A. anfangs gelassen entgegen. Sie ist sich zwar darüber im Klaren, dass sie in ihrer Eigenschaft als Gründungsgesellschafterin grundsätzlich als Haftungsadressatin in Betracht kommt, allerdings ist sie zuversichtlich, sich im Fall einer Verurteilung im Wege des Gesamtschuldnerinnenausgleichs bei F. schadlos halten zu können. Bereits kurze Zeit nach der am 1.8.2018 erfolgten Klagezustellung verkündet G. deshalb dem F. den Streit. Die Reaktion des F. auf die ihm gegenüber ausgebrachte Streitverkündung fällt überraschend kurz aus: Mit außergerichtlichem Schreiben teilt er G. mit, dass er dem Rechtsstreit nicht beitreten werde, weil jedwede Ansprüche, die A. oder G. anlässlich des in Rede stehenden Beratungsvorgangs ihm gegenüber geltend machen könnten, ohnehin verjährt seien.

(Der vollständige Beitrag ist abgedr. in VersR 2019, 798)