Dr. Raimond Emde: Bestandsübertragungsverträge mit Versicherungsvermittlern

Versicherungsvermittlern werden von Versicherern anlässlich des Abschlusses eines Versicherungsvermittlungsvertrags oder während dessen Laufzeit häufig Bestände mit Versicherungsverträgen zur Betreuung übergeben. Oft werden Bestände übertragen, die zuvor von einem anderen, ausgeschiedenen Versicherungsvermittler betreut wurden. Bei dem dieser Übergabe zugrunde liegenden Bestandsübertragungsvertrag handelt es sich um einen Vertrag sui generis, der seit Jahrzehnten üblich ist. Er besitzt Elemente verschiedener Vertragstypen und weist Ähnlichkeiten mit dem Bestandsübertragungsvertrag unter Versicherern i.S.d. § 13 VAG auf, gerade im Hinblick auf die erforderliche Konkretisierung der zu übertragenden Verträge (Bestimmtheitserfordernis). Der Unterschied liegt darin begründet, dass der Übertragungsvertrag nach § 13 VAG Verträge übergehen lässt, während der hier besprochene Vertrag Verträge zur Bearbeitung (an den Mittler) zuweist. Eigentlich wäre daher der Terminus „Bestandszuweisungsvertrag“ treffender. Im Folgenden bleibt es gleichwohl bei der überkommenen Apostrophierung als „Bestandsübertragungsvertrag“.

Die Übertragung des Bestands an den Mittler dient einerseits dem Interesse der Versicherer an angemessener Betreuung ihrer Kunden, andererseits aber auch dem Verdienstinteresse der Versicherungsvermittler. Denn ihnen wird zumindest durch die Betreuungsprovision – in der handelsvertreterrechtlichen Diktion eine Verwaltungsprovision – ein Einkommen gesichert.

Üblicherweise werden solche Verträge vor allem mit Versicherungsvertretern (Handelsvertreter i.S.d. §§ 84, 92 HGB), gelegentlich auch mit Versicherungsmaklern (meist Handelsmakler nach § 93 HGB) geschlossen. Allerdings ist die Bereitschaft, Bestände an Makler abzugeben, wegen deren Unabhängigkeit geringer als gegenüber Handelsvertretern, die gem. § 86 Abs. 1 HGB selbst ohne vertragliche Regelung einem Wettbewerbsverbot zugunsten des sie beschäftigenden Versicherers unterliegen. Diese Unabhängigkeit wird aber dadurch limitiert, dass der Versicherungsmakler seine Vergütung regelmäßig durch den Versicherer erhält, zudem durch ebenfalls vom Versicherer gewährte Folge- und Bestandspflegeprovisionen. Letztlich mindert auch der Bestandsübertragungsvertrag angesichts der drohenden Rückforderung des Bestands durch den Versicherer die Unabhängigkeit des Maklers. Selbstständig im Rechtssinne bleibt er gleichwohl.

Sofern der zwischen Versicherer und Vermittler geschlossene „Grundvertrag“ ein Maklervertrag ist, handelt es sich oft um Vereinbarungen mit Mittlern, die früher Handelsvertreter waren und in den Status des Maklers wechselten. Tatsächlich ist der Grundvertrag, der Versicherungsvermittlervertrag, der Anlass zum Abschluss des oft später geschlossenen Bestandsübertragungsvertrags. Selbst außerhalb der Versicherungsvermittlung gibt es derartige Bestandsübertragungsverträge.

(Der vollständige Beitrag ist abgedr. in VersR 2019, 791)

Manfred Werber: Kritische Nachlese zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 über Versicherungsvertrieb

Die Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.1.2016 über Versicherungsvertrieb (IDD) wurde in Deutschland mit dem Gesetz vom 20.7.2017 zügig umgesetzt und das Gesetz trat – der Vorgabe der Richtlinie entsprechend – pünktlich am 23.2.2018 in Kraft. Allerdings kann nicht festgestellt werden, dass damit alle für die Praxis relevanten Fragen abschließend geklärt sind. Vielmehr zeigt eine kritische Nachlese, dass in wichtigen Kernpunkten durchaus Fragen, Zweifel und Bedenken verblieben sind. Diese betreffen zum einen den Kreis der Adressaten, zu denen neben den klassischen Vermittlern und dem Versicherungsberater künftig auch die Versicherer als „Vertreiber“ gehören. Verbleibende Fragen betreffen ferner das – nach IDD und ihrer Umsetzung – nunmehr erweiterte Verständnis von Versicherungsvermittlung und seine praktische Bedeutung. Bezugspunkt kritischer Betrachtung muss auch die ambivalente Regelung der Beratungsverpflichtung und ihres konkreten Gehalts in unterschiedlichen Zusammenhängen sein, und schließlich soll auch noch die praktische Tragweite der an alle Akteure gerichteten Anforderung beleuchtet werden, stets ehrlich, redlich und „im besten Interesse des Kunden“ zu handeln. Den angesprochenen Themenkreisen geht der Beitrag nach.

(Der vollständige Beitrag ist abgedr. in VersR 2019, 321)

OLG Stuttgart: Berufung des Versicherers auf Entreicherung bei Totalverlust der Prämiensparanteile einer fondsgebundenen Lebensversicherung

Lebensversicherung
Berufung des Versicherers auf Entreicherung bei Totalverlust der Prämiensparanteile einer fondsgebundenen Lebensversicherung
VVG a. F. § 5 a; BGB §§ 812, 818 Abs. 3
* Bei der Rückabwicklung von nach dem Policenmodell geschlossenen, aber wirksam widerrufenen Verträgen über eine fondsgebundene Lebensversicherung steht das europarechtliche Effektivitätsgebot im Fall eines erheblichen und nicht nur geringen Verlustes oder auch im Fall eines Totalverlustes der Sparanteile der Prämien einer Berufung des Versicherers auf die sich nach nationalem Recht ergebende Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) nicht entgegen. *
OLG Stuttgart, Urteil vom 22. 5. 2017 (7 U 34/17)
– nicht rechtskräftig –

(Die vollständige Entscheidung ist abgedr. in VersR 2017, 1132)