Matthes Egger, Die Überprüfung der vorvertraglichen Anzeigepflicht im Rahmen der Leistungsprüfung anlässlich eines Versicherungsfalls – Divergenzen in der Rechtsprechung des IV. Zivilsenats des BGH

Am 22. 2. 2017 hat der IV. Zivilsenat des BGH eine seit Langem erhoffte Entscheidung zu einer im Versicherungsrecht sehr bedeutsamen und in Literatur und Rechtsprechung sehr umstrittenen Problematik gefällt. Zu dieser hatten sich nicht nur verschiedenen Oberlandesgerichte oder verschiedene Senate desselben OLG (Köln) unterschiedlich geäußert; vielmehr gab es zwischenzeitlich sogar widersprüchliche Aussagen in der jeweils eigenen Rechtsprechung des 6. Zivilsenats des KG und des 20. Zivilsenats des OLG Hamm, die nicht aufgelöst waren.
Zu begrüßen und richtig ist die durch den BGH nun erfolgte Klarstellung des bislang in Rechtsprechung und Literatur nicht immer beachteten Umstands, dass angesichts des übereinstimmenden Wortlauts und des jeweils identischen Anknüpfungssachverhalts für die Auslegung der §§ 14 und 31 VVG jeweils im Wesentlichen die gleichen Argumente streiten, diese also im Gleichklang zu erfolgen hat. Weiterlesen…

Prof. Dr. Manfred Wandt: Anlasslose Auskunftsverlangen des Versicherers zur Überprüfung der Erfüllung der vorvertraglichen Anzeigepflicht im Versicherungsfall

Der BGH hat entschieden, dass der Versicherer nach Eintritt des Versicherungsfalls, gestützt auf § 31 VVG, Auskunft vom VN auch zur Aufklärung darüber verlangen kann, ob der VN – gegebenenfalls Jahre zuvor – seine vorvertragliche Anzeigepflicht ordnungsgemäß erfüllt hat, und dass ein solches Auskunftsverlangen keine konkrete Verdachtslage für eine Anzeigeobliegenheitsverletzung voraussetzt. Aufgrund der Begründung der Entscheidung bleiben Zweifel, ob es sachgerecht ist, § 31 VVG so weit auszulegen, auch wenn die Entscheidung des konkreten Einzelfalls im Ergebnis überzeugend erscheint.

(Der Aufsatz, zugleich eine Anmerkung zu dem Urteil des BGH vom 22.2.2017 [IV ZR 289/14] VersR 2017, 469, ist vollständig abgedr. in VersR 2017, 458)

BGH: Versicherer darf nach Eintritt des Versicherungsfalls Auskunft zur Überprüfung der vorvertraglichen Anzeige verlangen

Versicherungsvertragsrecht
Sämtliche Versicherungszweige
Versicherer darf nach Eintritt des Versicherungsfalls Auskunft zur Überprüfung der vorvertraglichen Anzeige verlangen
VVG §§ 14 Abs. 1, 31 Abs. 1, 213 Abs. 1
* 1. Zu den zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen i. S. d. § 14 Abs. 1 VVG zählen auch solche, die klären sollen, ob der VN bei Vertragsschluss seine vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten i. S. v. § 19 Abs. 1 S. 1 VVG erfüllt hat. * Weiterlesen…

OLG Celle: Voraussetzungen einer spontanen vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit des VN

Versicherungsvertragsrecht
Sämtliche Versicherungszweige
Voraussetzungen einer spontanen vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit des VN
VVG §§ 19, 22; BGB § 123
* 1. Der Versicherer kann auch dann zur Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung berechtigt sein, wenn der VN bei dem Vertragsschluss Umstände verschwiegen hat, nach denen der Versicherer nicht gem. § 19 Abs. 1 S. 1 VVG in Textform gefragt hat. *
* 2. Über die Anzeigepflicht aus § 19 Abs. 1 S. 1 VVG hinaus kann sich – aus Treu und Glauben – auch eine Aufklärungspflicht des VN in Bezug auf nicht oder nicht ordnungsgemäß in Textform erfragte Umstände ergeben. Es kann dem VN jedoch in der Regel nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben angelastet werden, wenn er den Fragenkatalog des Versicherers als abschließend ansieht und keine weiter gehenden Überlegungen dazu anstellt, welche Umstände für den Versicherer darüber hinaus von Interesse sein könnten. Nach der gesetzlichen Wertung obliegt zunächst dem Versicherer die Mitteilung der Umstände, die er für gefahrerheblich ansieht. Eine spontane Anzeigepflicht besteht daher nur bei Umständen, die zwar offensichtlich gefahrerheblich, aber so ungewöhnlich sind, dass eine auf sie abzielende Frage nicht erwartet werden kann. *
* 3. Bei dem Abschluss einer Pflegeversicherung für ein Kleinkind besteht keine Aufklärungspflicht hinsichtlich einer Entwicklungsverzögerung, wenn der Versicherer hiernach in seinem umfangreichen Fragenkatalog nicht gefragt hat, obwohl diese bereits in seinem System als Ablehnungsgrund hinterlegt war. * Weiterlesen…