LG Trier: Kein Schmerzensgeld bei Defekt der einzigen Toilette in einer Regionalbahn

Wer wegen des Ausfalls der einzigen Toilette in einer Regionalbahn stundenlangen Harndrang aushalten muss und nach Ankunft am Zielbahnhof unkontrolliert die Blase entleert, hat gegen das Verkehrsunternehmen keinen Anspruch auf Schmerzensgeldzahlung, wenn zumutbare Möglichkeiten bestanden, die Fahrt zu unterbrechen. Das hat das LG Trier auf die Berufung des bekl. Verkehrsunternehmens entschieden, nachdem das AG zuvor ein Schmerzensgeld in Höhe von 200 Euro zugesprochen hatte.

Tatbestand:

Die Kl. hatte an einem Nachmittag Anfang Oktober 2014 aufgrund einer Verspätung ihres Fernverkehrszugs ihren Anschlusszug in K. verpasst und war deshalb auf eine zweistündige Weiterfahrt mit der Regionalbahn durch eine touristisch gut erschlossene Region angewiesen. Die einzige Toilette in der Regionalbahn war defekt. Schon in K. hatte die Kl. einen leichten Harndrang verspürt, der sich im Laufe der Fahrt zum Zielbahnhof stets verstärkte. Die Kl. gab selbst an, zahlreiche Fahrgäste hätten ihre Fahrt unterbrochen, um eine Toilette aufzusuchen. Sie selbst empfand dies „im Dunkeln“ aber als unzumutbar, weil die Bahnhofsgebäude der Unterwegshaltepunkte alle geschlossen gewesen seien und die Wartezeit bis zum nächsten Zug eine Stunde betragen habe.

Nach der Ankunft der Regionalbahn verlor die Kl. auf dem Bahnsteig die Kontrolle über ihre Blase. Für die ihr dadurch entstandene entwürdigende Situation in der Öffentlichkeit sowie die während der Fahrt erlittenen Schmerzen verlangte sie Schmerzensgeld.

Aus den Gründen:

Das LG hat zur Begründung der Klageabweisung u.a. ausgeführt, dass der Kl. ein Aussteigen unterwegs zumutbar gewesen wäre. Entlang der gefahrenen Strecke gebe es 30 Unterwegshalte. Die touristisch gut erschlossene Region biete zahlreiche Möglichkeiten, eine Toilette aufzusuchen, auch wenn die Bahnhöfe geschlossen seien, so zum Beispiel in den vielfach vorhandenen Gastronomiebetrieben. Zudem habe sie selbst dazu beigetragen, ohne unmittelbar erreichbare Toilette unterwegs zu sein, weil sie sich vor Zustieg in die Bahn nicht darüber informierte, ob das WC funktionsfähig sei, obwohl sie bereits am Einsteigebahnhof Harndrang verspürte.

Die Kl. hätte auch keineswegs eine Stunde auf den nächsten Zug warten müssen, sondern – je nach gewähltem Bahnhof – nur zwischen 10 und 30 min. Angesichts der relativ geringen Reisezeitverkürzung, die die Kl. auch beim Zugbegleiter hätte erfragen können, der keineswegs abgelegenen oder einsamen Lage der Bahnhöfe sowie der Tages- und Jahreszeit (der Einbruch der Dunkelheit habe erkennbar noch ferngelegen) sei es der Kl. daher zumutbar gewesen, ihre Fahrt zu unterbrechen. Die möglichen Folgen einer Weiterfahrt trotz starken Harndrangs seien ihr auch erkennbar gewesen. Auch weitere mögliche Unzumutbarkeitsgründe wie hohes Alter oder großes Gepäck konnte die Kl. nicht vortragen.

Angesichts dieser ganz überwiegenden Mitverantwortlichkeit hat das LG die Klage abgewiesen.

LG Trier, Urteil vom 19. 2. 2016 (1 S 131/15)

(abgedr. in VersR 2016, 1448)