BGH zum Filesharing über einen Familienanschluss

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat hat sich erneut mit Fragen der Haftung wegen der Teilnahme an Internettauschbörsen befasst.

Tatbestand:

Die Kl. hat die Verwertungsrechte an den auf dem Musikalbum „L.“ der Künstlerin R. enthaltenen Musiktiteln inne. Sie nimmt die Bekl. wegen Urheberrechtsverletzung auf Schadensersatz in Höhe von mindestens 2500 Euro sowie auf Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 1379,80 Euro in Anspruch, weil diese Musiktitel über den Internetanschluss der Bekl. im Januar 2011 im Wege des „Filesharing“ öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Die Bekl. haben bestritten, die Rechtsverletzung begangen zu haben, und darauf verwiesen, ihre bei ihnen wohnenden und bereits volljährigen drei Kinder hätten jeweils eigene Rechner besessen und über einen mit einem individuellen Passwort versehenen WLAN-Router Zugang zum Internetanschluss gehabt. Die Bekl. haben erklärt, sie wüssten, welches ihrer Kinder die Verletzungshandlung begangen habe; nähere Angaben hierzu haben sie jedoch verweigert.

Das LG hat der Kl. Schadensersatz in Höhe von 2500 Euro und den Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 1044,40 Euro zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Bekl. ist ohne Erfolg geblieben.

Aus den Gründen:

Der BGH hat die Revision der Bekl. zurückgewiesen. Im Ausgangspunkt trägt die Kl. als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Bekl. für die Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich sind. Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen – etwa die Familienangehörigen – diesen Internetanschluss benutzen konnten. Zu dieser Frage muss sich der Anschlussinhaber im Rahmen einer sogenannten sekundären Darlegungslast erklären, weil es sich um Umstände auf seiner Seite handelt, die der Kl. unbekannt sind. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Entspricht der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der klagenden Partei, die für eine Haftung der Bekl. als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen.

Die Bekl. haben im Streitfall ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt, weil sie den Namen des Kindes nicht angegeben haben, das ihnen gegenüber die Rechtsverletzung zugegeben hat. Diese Angabe war den Bekl. auch unter Berücksichtigung der Grundrechtspositionen der Parteien zumutbar. Zugunsten der Kl. sind das Recht auf geistiges Eigentum nach Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 GG sowie auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 EU-Grundrechtecharta und auf Seiten der Bekl. der Schutz der Familie gemäß Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG zu berücksichtigen und in ein angemessenes Gleichgewicht zu bringen. Danach ist der Anschlussinhaber etwa nicht verpflichtet, die Internetnutzung seines Ehegatten zu dokumentieren und dessen Computer auf die Existenz von Filesharingsoftware zu untersuchen. Hat der Anschlussinhaber jedoch im Rahmen der ihm obliegenden Nachforschungen den Namen des Familienmitglieds erfahren, das die Rechtsverletzung begangen hat, muss er dessen Namen offenbaren, wenn er eine eigene Verurteilung abwenden will.

BGH, Urteil vom 30. 3. 2017 (I ZR 19/16, München)

(Pressemitteilung des BGH Nr. 46 vom 30. 3. 2017)