Rezension: Versicherungsrecht

Versicherungsrecht, so sehen es viele, ist eine Art Geheimwissenschaft, die irgendwo abseits der Solidität des Zivilrechts mit seltsamem juristischem Zauber einen deutschen „Erinnerungsort“ erbaut hat. In der Tat: Dort tummeln sich Figuren, die gediegene Zivilisten schaudern lassen: Vertragsschlüsse ohne Einigung, rückwirkende Vertragsänderungsrechte, Schluchten zwischen formeller und materieller Rechtsinhaberschaft, verhaltensauffällige Verwalter von Verträgen und Risiken. Will man sich als Studierender, zu Beginn einer beruflichen Karriere bei einem Versicherer, anwaltlich oder richterlich diese verwunschenen Orte erschließen, gibt es kaum einen besseren Reiseführer als Manfred Wandts „Lehr-(im besten Sinne „Lern-)buch“ Versicherungsrecht. Weiterlesen…

BGH: Obliegenheit des Reisenden zur Mängelanzeige trotz Kenntnis des Reiseveranstalters

Haftungsrecht
Reiseveranstalterhaftung
Obliegenheit des Reisenden zur Mängelanzeige trotz Kenntnis des Reiseveranstalters
BGB §§ 651 d, 651 f
* Die Anzeige eines Reisemangels durch den Reisenden ist nicht schon deshalb entbehrlich, weil dem Reiseveranstalter der Mangel bereits bekannt ist. *
BGH, Urteil vom 19. 7. 2016 (X ZR 123/15, LG Düsseldorf)

(Die ganze Entscheidung ist abgedr. in VersR 2016, 1574)

VG Karlsruhe: Kein Anspruch auf Schadensersatz gegen ehemaligen Bürgermeister

Mit einem am 21. 12. 2016 den Beteiligten bekannt gegebenen Urteil hat die 9. Kammer des VG Karlsruhe eine Schadensersatzklage der Stadt H. gegen ihren ehemaligen Bürgermeister abgewiesen.

Tatbestand:

Der bekl. ehemalige Bürgermeister hatte im Jahr 2006 zusammen mit seiner Ehefrau von seiner damaligen Sekretärin – einer Verwaltungsangestellten der klagenden Stadt – für einen Kaufpreis von 30 000 Euro ein auf der Gemarkung der Stadt gelegenes Wiesengrundstück erworben, das nach dem Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche (sogenanntes Bauerwartungsland) ausgewiesen war.

Die Stadt H. sieht sich hierdurch geschädigt. Sie macht geltend, ihr sei im Jahr 2012 bekannt geworden, dass die Sekretärin das Grundstück ausdrücklich ihr und nicht dem damaligen Bürgermeister als Privatperson zum Kauf angeboten habe. Dieser habe durch die Unterlassung der Weiterleitung des Angebots an die entsprechenden Gremien seine persönlichen Interessen mit seinen dienstlichen Pflichten verquickt und dem Vermögen der Stadt einen Schaden zugefügt. Sie hätte das Grundstück selbst erworben, wenn sie von dem Angebot Kenntnis erhalten hätte. Seit einem Beschluss des Gemeinderats aus dem Jahr 2011 zur Entwicklung der Wohnbaufläche für das Gebiet sei der Wert des Grundstücks auf derzeit rund 140 000 Euro gestiegen.

Aus den Gründen:

Das VG hat die Schadensersatzklage der Stadt abgewiesen, weil sich eine Dienstpflichtverletzung des ehemaligen Bürgermeisters nicht feststellen lasse. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, in der der Bürgermeister als Beteiligter und die damalige Sekretärin als Zeugin vernommen worden waren, habe die Kammer nicht die hinreichende Überzeugung gewinnen können, dass die Sekretärin tatsächlich das Grundstück ausdrücklich und unmissverständlich zunächst der durch den Bürgermeister vertretenen Kl. und nicht dem Bürgermeister als Privatperson zum Kauf angeboten habe. Auf die weitere Prüfung, ob mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass die Stadt das Grundstück erworben hätte, wenn sie nur Kenntnis von dem Kaufangebot gehabt hätte, komme es mangels Pflichtverletzung als wesentliches Tatbestandsmerkmal des Schadensersatzanspruchs nicht mehr an.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Kl. kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils die Zulassung der Berufung beim VGH Mannheim beantragen.

VG Karlsruhe, Urteil vom 28. 11. 2016 (9 K 3717/14)

Pressemitteilung des VG Karlsruhe vom 21. 12. 2016

OLG Karlsruhe: Klage gegen Google wegen Verlinkung angeblich persönlichkeitsrechtsverletzender Beiträge erfolglos

Tatbestand:

Im Jahr 2012 erschienen auf einer Internetplattform Beiträge, in denen die Kl. zu 1 und 2 namentlich genannt und unter anderem als Rassisten bezeichnet werden. Neben weiteren Einzelheiten wird angegeben, dass die Kl. zu 1 und 2 sich – zum Teil unter einem Pseudonym – islamfeindlich geäußert hätten. Der Kl. zu 3 wird ebenfalls namentlich genannt. Die Kl. sehen sich durch diese Artikel in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Sie fordern von Google die Entfernung von auf diese Artikel führenden Suchergebnissen und Links. Die Kl. halten ein Vorgehen gegen den Verfasser der Beiträge und den Betreiber der Internetplattform im Ausland für zwecklos, zumal die Artikel kein Impressum ausweisen. Sie haben deshalb von der Bekl. zunächst verlangt, konkret bezeichnete Links nicht mehr als Suchergebnis auszuweisen. Dem ist die Bekl. vorgerichtlich nachgekommen. Nachdem die Beiträge aber daraufhin auf eine andere Seite derselben Internetplattform verschoben worden sind und daher von der Suchmaschine der Bekl. wieder aufgefunden wurden, verlangen die Kl. von der Bekl., unabhängig von der Suchanfrage, gar kein auf die Hauptdomain der Internetplattform verweisendes Suchergebnis mehr anzuzeigen. Dies hat die Bekl. abgelehnt.

Das LG Heidelberg hat der Klage teilweise stattgegeben. Zwar stehe den Kl. kein Anspruch auf eine Sperrung der Anzeige jeglicher Suchergebnisse der Internetdomain zu. Im Fall eines Kl. sei die Bekl. jedoch verpflichtet, bei Eingabe seines Namens keinen Link mehr zu dem vom LG als ehrverletzend beurteilten Beitrag anzuzeigen. Darüber hinaus bestünden teilweise Schadensersatzansprüche. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil des LG haben beide Seiten Berufung eingelegt.

Aus den Gründen:

Der unter anderem für Pressesachen zuständige 6. Zivilsenat des OLG Karlsruhe hat die Klage vollständig abgewiesen. Den Kl. stünden selbst dann keine Ansprüche gegen die Bekl. zu, wenn die Beiträge die Kl. rechtswidrig in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt hätten. Die Bekl. als Suchmaschinenbetreiberin hafte nur nach konkretem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung auf Unterlassung. Ihren daraus herzuleitenden Pflichten habe die Bekl. aber genügt, indem sie jeweils den konkreten Link zu dem Artikel als Suchergebnis gesperrt habe, nachdem sie die Kl. auf den Artikel hingewiesen hätten. Es obliege dem Betroffenen, der Bekl. die konkreten Links mitzuteilen, durch die er rechtswidrig in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt werde. Die Suchmaschinenbetreiberin sei nicht verpflichtet, ihrerseits von Dritten in das Netz gestellte Beiträge aufzuspüren und auf eventuelle Persönlichkeitsrechtsverletzungen zu überprüfen. Im Übrigen seien die dem Verfahren zugrunde liegenden, von Dritten ins Internet eingestellten Beiträge im konkreten Fall im Hinblick auf das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht der Meinungsfreiheit nicht als rechtswidrig zu bewerten.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Damit können die Kl. lediglich noch Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH einlegen.

OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. 12. 2016 (6 U 2/15)

Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 22. 12. 2016

BGH: Schadensabwicklungsunternehmen eines Rechtsschutzversicherers ist vorsteuerabzugsberechtigt

Steuerrecht
Umsatzsteuer
Schadensabwicklungsunternehmen eines Rechtsschutzversicherers i. S. v. § 126 VVG ist vorsteuerabzugsberechtigt
VVG § 126; UStG §§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 4 Nr. 10 a
* Das Schadensabwicklungsunternehmen eines Rechtsschutzversicherers i. S. v. § 126 VVG ist nicht vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. *
BGH, Urteil vom 26. 10. 2016 (IV ZR 34/16, LG Kleve)

(Die ganze Entscheidung ist abgedr. in VersR 2016, 1593)