Saarländisches Oberlandesgericht bestätigt die Haftung einer Gerichtsgutachterin gegenüber einem nach Wiederaufnahme des Strafverfahrens Freigesprochenen

In dem Berufungsverfahren betreffend die Schadensersatzklage eines nach Wiederaufnahme des Strafverfahrens Freigesprochenen gegen die damalige Gerichtsgutachterin hat der zuständige 4. Zivilsenat in seinem am 23.11.2017 verkündeten Urteil nach Durchführung einer Beweisaufnahme die grundsätzliche Haftung der Bekl. bestätigt und das dem Kl. zustehende Schmerzensgeld um 10.000 Euro auf 60.000 Euro erhöht. Weiterlesen…

BGH: Verkäufer kann nach erfolgreichem Antrag des Käufers auf PayPal-Käuferschutz erneut Kaufpreiszahlung verlangen

Der BGH hat sich heute in zwei Entscheidungen erstmals mit den Auswirkungen einer Rückerstattung des vom Käufer mittels PayPal gezahlten Kaufpreises aufgrund eines Antrags auf PayPal-Käuferschutz befasst.

Problemstellung:

Der Online-Zahlungsdienst PayPal bietet an, Bezahlvorgänge bei Internetgeschäften dergestalt abzuwickeln, dass private und gewerblich tätige Personen Zahlungen über virtuelle Konten mittels E-Geld leisten können. Dabei stellt PayPal seinen Kunden unter bestimmten Voraussetzungen ein in AGB (namentlich der sogenannten PayPal-Käuferschutzrichtlinie) geregeltes Verfahren für Fälle zur Verfügung, in denen der Käufer den bestellten Kaufgegenstand nicht erhalten hat oder dieser erheblich von der Artikelbeschreibung abweicht. Hat ein Antrag des Käufers auf Rückerstattung des Kaufpreises nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie Erfolg, bucht PayPal dem Käufer den gezahlten Kaufpreis unter Belastung des PayPal-Kontos des Verkäufers zurück.

In beiden Revisionsverfahren ging es maßgeblich um die Frage, ob der Verkäufer nach der Rückbuchung des Kaufpreises erneut berechtigt ist, den Käufer auf Zahlung in Anspruch zu nehmen.

Sachverhalt und Prozessverlauf:

Im Verfahren VIII ZR 83/16 kaufte die Bekl. zu 1, eine GbR, vom Kl. auf der Internet-Plattform eBay ein Mobiltelefon zu einem Preis von rd. 600 Euro, den sie über den Online-Zahlungsdienst PayPal entrichtete. Nachdem der Kaufpreis auf dem PayPal-Konto des Kl. eingegangen war, versandte dieser das Mobiltelefon in einem (vereinbarungsgemäß unversicherten) Päckchen an die Bekl. zu 1. Diese teilte dem Kl. anschließend mit, das Mobiltelefon nicht erhalten zu haben. Ein Nachforschungsauftrag des Kl. beim Versanddienstleister blieb erfolglos. Daraufhin beantragte die Bekl. zu 1 Rückerstattung des Kaufpreises nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie. Nachdem der Kl. auf Aufforderung von PayPal keinen Nachweis über den Versand des Mobiltelefons vorgelegt hatte, buchte PayPal den Kaufpreis vom PayPal-Konto des Kl. auf das PayPal-Konto der Bekl. zu 1 zurück. Die auf Zahlung des Kaufpreises gerichtete Klage des Kl. hat in zweiter Instanz Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision wollte die Bekl. zu 1 die Abweisung der Kaufpreisklage erreichen.

Im Verfahren VIII ZR 213/16 erwarb der Bekl. von der Kl. über deren Online-Shop eine Metallbandsäge und bezahlte den Kaufpreis von knapp 500 Euro ebenfalls über den Online-Zahlungsdienst PayPal. Der Bekl. beantragte Käuferschutz mit der Begründung, die von der Kl. gelieferte Säge entspreche nicht den von ihr im Internet gezeigten Fotos. Nach entsprechender Aufforderung von PayPal legte der Bekl. ein von ihm in Auftrag gegebenes Privatgutachten vor, wonach die Säge – was die Kl. bestritt – von „sehr mangelhafter Qualität“ und „offensichtlich ein billiger Import aus Fernost“ sei. Daraufhin forderte PayPal den Bekl. auf, die Metallbandsäge zu vernichten, und buchte ihm hiernach den Kaufpreis unter Belastung des Verkäuferkontos zurück. In diesem Fall ist die auf Kaufpreiszahlung gerichtete Klage in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgte die Kl. ihr Zahlungsbegehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der u. a. für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass der Anspruch eines Verkäufers auf Zahlung des Kaufpreises zwar erlischt, wenn der vom Käufer entrichtete Kaufpreis vereinbarungsgemäß dem PayPal-Konto des Verkäufers gutgeschrieben wird. Jedoch treffen die Kaufvertragsparteien mit der einverständlichen Verwendung des Bezahlsystems PayPal gleichzeitig stillschweigend die weitere Vereinbarung, dass die betreffende Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn das PayPal-Konto des Verkäufers nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz rückbelastet wird.

Im Einzelnen:

Die Vereinbarung, zur Tilgung einer Kaufpreisschuld den Online-Zahlungsdienst PayPal zu verwenden, wird von den Vertragsparteien in der Regel als Nebenabrede mit Abschluss des Kaufvertrags getroffen. In diesem Fall ist die vom Käufer geschuldete Leistung bewirkt und erlischt somit der Kaufpreisanspruch des Verkäufers, wenn der betreffende Betrag dessen PayPal-Konto vorbehaltlos gutgeschrieben wird. Denn ab diesem Zeitpunkt kann der Verkäufer frei über das Guthaben verfügen, indem er es etwa auf sein bei PayPal hinterlegtes Bankkonto abbuchen lässt oder seinerseits für Zahlungen mittels PayPal verwendet.

Dennoch steht dem Verkäufer nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf Käuferschutz (erneut) ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises zu. Denn mit der Nebenabrede, den Zahlungsdienst PayPal zu verwenden, vereinbaren die Vertragsparteien gleichzeitig stillschweigend, dass die (mittels PayPal) getilgte Kaufpreisforderung wiederbegründet wird, wenn – wie in den vorliegenden Fällen geschehen – das PayPal-Konto des Verkäufers nach Maßgabe der PayPal-Käuferschutzrichtlinie rückbelastet wird.

Dies ergibt sich aus einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der zwischen PayPal und den Nutzern des Zahlungsdienstes jeweils vereinbarten AGB, insbesondere der sogenannten PayPal-Käuferschutzrichtlinie. Diese hebt u. a. ausdrücklich hervor, dass PayPal „lediglich“ über Anträge auf Käuferschutz entscheidet. In der im Verfahren VIII ZR 83/16 verwendeten (neueren) Fassung der PayPal-Käuferschutzrichtlinie heißt es zudem, diese berühre „die gesetzlichen und vertraglichen Rechte zwischen Käufer und Verkäufer nicht“ und sei „separat von diesen zu betrachten“. Namentlich mit Rücksicht auf diese Bestimmungen besteht kein Zweifel, dass es dem Käufer unbenommen sein soll, anstelle eines Antrags auf Käuferschutz oder auch nach einem erfolglosen Antrag die staatlichen Gerichte in Anspruch zu nehmen, um etwa im Fall einer vom Verkäufer gar nicht oder nicht wie geschuldet erbrachten Leistung Rückgewähr des vorgeleisteten Kaufpreises zu verlangen. Vor diesem Hintergrund ist es allein interessengerecht, dass umgekehrt auch der Verkäufer nach einem erfolgreichen Antrag des Käufers auf PayPal-Käuferschutz erneut – im Wege der Wiederbegründung seines Anspruchs auf Zahlung des Kaufpreises – berechtigt sein muss, auf die Kaufpreisforderung zurückzugreifen und zu ihrer Durchsetzung gegebenenfalls die staatlichen Gerichte anzurufen.

Die Annahme einer stillschweigend vereinbarten Wiederbegründung der Kaufpreisforderung ist auch deshalb geboten, weil PayPal nur einen vereinfachten Prüfungsmaßstab anlegt, der eine sachgerechte Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsparteien – anders als das gesetzliche Mängelgewährleistungsrecht – nicht sicherzustellen vermag. Gleichwohl ist ein erfolgreicher Antrag auf PayPal-Käuferschutz für den Käufer von Vorteil, weil er danach den (vorgeleisteten) Kaufpreis zurückerhält, ohne den Verkäufer auf Rückzahlung – gegebenenfalls im Klageweg – in Anspruch nehmen zu müssen.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Senat die Revision der Beklagten im Verfahren VIII ZR 83/16 zurückgewiesen, da das Berufungsgericht hier im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen ist, dass dem Kl. nach Rückbelastung seines PayPal-Kontos infolge des Antrags auf PayPal-Käuferschutz erneut ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises zustehe. Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass die Bekl. das Mobiltelefon nach ihrer Behauptung nicht erhalten haben, denn mit der unstreitig erfolgten Versendung desselben ging die Gefahr des zufälligen Verlustes auf dem Versandweg – anders als es bei einem hier nicht vorliegenden Kauf einer beweglichen Sache durch einen Verbraucher von einem Unternehmer (Verbrauchsgüterkauf) der Fall wäre – auf die Bekl. zu 1 über.

Im Verfahren VIII ZR 213/16 hatte die Revision demgegenüber Erfolg, weil das Berufungsgericht trotz der Rückbuchung aufgrund des Antrags auf PayPal-Käuferschutz den Anspruch des Verkäufers auf Kaufpreiszahlung verneint hatte. Der Senat hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen, damit es Feststellungen zu der Frage treffen kann, ob und inwieweit sich der Beklagte gegenüber dem wiederbegründeten Kaufpreisanspruch der Kl. auf gesetzliche Mängelgewährleistungsrechte berufen kann.

BGH, Urteile vom 22. 11. 2017 (VIII ZR 83/16 und VIII ZR 213/16)

(Pressemitteilung des BGH Nr. 187 vom 22. 11. 2017)

 

BGH zur Haftung des Luftverkehrsunternehmens für Sturz eines Reisenden auf der Fluggastbrücke

Der Kl. verlangte von dem bekl. Luftverkehrsunternehmen Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Sachverhalt:

Er buchte für den 9.2.2013 für sich und seine Ehefrau einen von der Bekl. durchgeführten Flug von Düsseldorf nach Hamburg. Nach seinem Vortrag kam er beim Einsteigen auf der Fluggastbrücke aufgrund einer durch Kondenswasser ausgebildeten feuchten Stelle zu Fall und erlitt infolge des Sturzes eine Patellafraktur. Der Kl. machte Schadensersatz für aufgewendete Heilungskosten, für erlittene Erwerbsunfähigkeit und aus abgetretenem Recht auf Entgeltfortzahlung und ein Schmerzensgeld geltend.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. ist erfolglos geblieben. Das OLG hat angenommen, die Bekl. sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Schadensersatz verpflichtet. Sie treffe insbesondere keine Haftung nach Art. 1 Satz 2, Art. 3 Verordnung (EG) Nr. 2027/97 (in der Fassung der Verordnung [EG] Nr. 889/2002) i.V.m. Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens vom 28.5.1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer Übereinkommens [MÜ]). Der Haftungstatbestand erfasse nur solche Ereignisse, deren Ursache in typischen Risiken des Luftverkehrs liege, nicht aber Ereignisse, die in ähnlicher Weise in anderen Lebensbereichen vorkämen und nur bei Gelegenheit einer Luftbeförderung einträten. Eine luftverkehrstypische Gefahr habe sich beim behaupteten Sturz des Kl. aber nicht realisiert. Eine durch Feuchtigkeit auf dem Boden einer Fluggastbrücke bedingte Rutschgefahr stehe in keinem inneren Zusammenhang mit den speziellen Gefahren des Luftverkehrs, sondern sei auch in anderen Lebensbereichen möglich.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der für das Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat des BGH hat auf die Revision des Kl. das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der BGH hält anders als das Berufungsgericht eine Haftung des Luftverkehrsunternehmens nach Art. 17 Abs. 1 MÜ für gegeben, wenn die Behauptungen des Kl. zum Unfallhergang, zu dem das Berufungsgericht noch keine Feststellungen getroffen hat, richtig sind. Er musste nicht abschließend entscheiden, ob die Haftung für Personenschäden nach dieser Bestimmung durch das Erfordernis der Verwirklichung eines luftverkehrstypischen Risikos eingeschränkt wird. Die in Rede stehende Haftungsvorschrift bezweckt den Schutz des Reisenden vor spezifischen Gefahren einer Verletzung seines Körpers während einer Luftbeförderung und erfasst auch die Vorgänge des Einsteigens in das Flugzeug und des Aussteigens aus dem Flugzeug. Zum Einsteigevorgang gehört jedenfalls das Besteigen einer Flugzeugtreppe oder das Begehen einer Fluggastbrücke. Die Fluggastbrücke birgt wegen des konstruktionsbedingt fehlenden Handlaufs, des von Höhe und Lage der Flugzeugtür abhängigen Gefälles und der durch die Verbindung unterschiedlich temperierter Bereich bedingten Gefahr von Kondenswasserbildung spezifische Risiken, vor denen die gesetzlich angeordnete Gefährdungshaftung den Reisenden schützen soll. Kommt der Reisende zu Schaden, weil sich eine dieser Gefahren realisiert hat, muss das Luftverkehrsunternehmen – soweit dem nicht gegebenenfalls ein Mitverschulden des Reisenden entgegensteht – hierfür einstehen.

BGH, Urteil vom 20.11.2017 (X ZR 30/15)

(Pressemitteilung des BGH Nr. 185 vom 21.11.2017)

KG: Nach Unfall auf Glatteis kein Schadensersatz für Hotelbesucher

Das KG hat die Berufung eines Geschäftsmanns, der am 20.1.2014 auf dem Gehweg vor einem Fünf-Sterne-Hotel bei Glatteis gestürzt war und erstinstanzlich vor dem LG Berlin erfolglos Schadensersatz vom der Hotelbetreiberin verlangt hatte, durch Beschluss vom 7.11.2017 ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen.

Tatbestand:

Der Geschäftsmann hatte im Wege der Teilklage zunächst 10.000 Euro Schmerzensgeld gefordert, hielt aber ein Schmerzensgeld von insgesamt ca. 75.000 Euro für angemessen. Zudem behauptete er außergerichtlich, aufgrund des Unfalls mit stationärer Behandlung sei er nicht in der Lage gewesen, ein Darlehen über 200.000 Euro aufzunehmen, das binnen drei Monaten zu einem Ertrag in Höhe von 2 Mio. Euro und im weiteren Verlauf zu einer Ausschüttung in Höhe von 35 Mio. Euro für ihn oder seine Gesellschaft geführt hätte. Weiterlesen…

AG München: Obacht, Spalt!

Stürzt ein Fahrgast trotz langjähriger Vertrautheit mit den örtlichen Gegebenheiten in den Spalt zwischen Bahnsteig und S-Bahn, haftet die Deutsche Bahn dafür nicht.

Tatbestand:

Die klagende 64-jährige und gut 1,50 cm große Münchnerin mit Schuhgröße 39 geriet am 14.2.2013 um 10.02 Uhr am Bahnhof Rosenheimer Platz beim Zustieg mit Füßen und Beinen in den 14 cm breiten Spalt zwischen Zug und Bahnsteig. Sie konnte von zwei anderen Fahrgästen wieder herausgezogen werden, bevor die S-Bahn weiterfuhr.

Die Kl. erlitt dadurch Quetschungen und Prellungen an Ober- bzw. Unterschenkel sowie am Innenknöchel und war vier Wochen arbeitsunfähig krankgeschrieben. Hierfür begehrte sie 3950 Euro Schmerzensgeld. Darüber hinaus entstanden ihr Reinigungskosten für Hose und Mantel in Höhe von 15,45 Euro.

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