Sturz im Wald – Verletzung von Verkehrssicherungspflichten?

Die 18. Zivilkammer des LG München I hat heute die Klage einer Waldbesucherin gegen den Eigentümer eines Waldgrundstücks abgewiesen (18 O 11896/20).

Die Klägerin nahm den Eigentümer eines Waldgrundstücks wegen  Verletzung von Verkehrssicherungspflichten auf Schmerzensgeld und Schadensersatz in Höhe von insgesamt rund 40.000 EUR in Anspruch. Die Klägerin verfing sich beim Pilzesuchen in einem im Wald zurückgelassenen und von Blättern überdeckten Drahtgeflecht und kam zu Fall. Bei diesem Drahtgeflecht handelte es sich (mutmaßlich) um Überreste eines ehemaligen Wildverbisszauns. Hierbei zog die Klägerin sich eine komplizierte Fraktur des Sprunggelenks zu, unter deren Folgen sie noch heute leidet.

Das Gericht entschied jedoch, dass der Eigentümer des Waldes nicht gegen eine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verstoßen habe.

Zwar ist derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern.

Eine solche Gefahr für Dritte, ging von dem im Wald zurückgelassenen und mittlerweile mit Blättern überdeckten und daher für Dritte nicht ohne Weiteres erkennbaren Drahtgeflecht auch aus.

Jedoch seien Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 BWaldG, Art. 13 Abs. 1 BayWaldG aufgrund der durch den Gesetzgeber erfolgten Risikozuweisung einzuschränken. Dies führe dazu, dass die Haftung des Beklagten ausgeschlossen sei.

Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 BWaldG i.V.m. Art. 13 Abs. 1 BayWaldG verbriefe insofern das Recht eines jeden, den Wald zum Zwecke der Erholung – ohne der Zustimmung des jeweiligen Eigentümers oder anderweitig Nutzungsberechtigten des Waldgrundstücks – zu betreten, so der Richter.

Der Eigentümer des Waldgrundstücks habe es daher nicht in der Hand, etwaigen Gefahrenlagen bereits dadurch entgegenzuwirken, dass er das Betreten des Waldgrundstücks verbiete oder einschränke. Er würde also insoweit – ohne dass dies auf seinem eigenen Willen beruhe oder er selbst hieraus einen Nutzen ziehe – aufgrund dieses gesetzlich verbrieften Betretungsrechts für jedermann prinzipiell uneingeschränkt verkehrssicherungs- und einstandspflichtig.

Daher sehe § 14 Abs. 1 S. 3 BWaldG als Korrektiv vor, dass die Benutzung des Waldes zu Erholungszwecken auf eigene Gefahr jedenfalls dann erfolgt, wenn sich eine waldtypische Gefahr verwirklicht, da mit solchen Risiken seitens desjenigen, der den Wald zu Erholungszwecken betritt, jederzeit gerechnet werden muss.

Doch auch im Falle der Verwirklichung einer atypischen Gefahr scheide eine Haftung im Ergebnis laut Gericht aus, wenn sich das darin verwirklichte Risiko nach Art und Umfang nicht erheblich von jenen Gefahren unterscheide, mit denen ein Nutzer des Waldes typischerweise rechnen muss. Deshalb konnten im Ergebnis die genaue Herkunft und der ursprüngliche Verwendungszweck des Drahtgeflechts, über das die Klägerin nach eigenen Ausführungen stürzte, offenbleiben:

Das mit dem gegenständlich im Wald zurückgelassenen Drahtgeflecht verbundene Risiko unterscheide sich nicht wesentlich von sonstigen waldtypischen Gefahren und Hindernissen – Wurzelwerk, Schlingpflanzen, herabgefallene Äste, Erdlöcher – mit denen im Wald abseits von Wegen typischerweise jederzeit gerechnet werden müsse, die ebenfalls nicht immer einwandfrei und gut zu erkennen seien und eine dementsprechend umsichtige und vorsichtige Fortbewegungsweise erfordern.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

LG München I vom 24.2.2021 (18 O 11896/20)

Pressemitteilung Nr. 08 des LG München vom 24.2.2021

Allmählichkeitsklausel intransparent

Ohne Definition von „Ereignis“ und „Einwirkung“ kein wirksamer Ausschluss

Die ARB 2015 (Musterbedingungen des VVÖ) enthalten als einen Risikoausschluss die sog. Allmählichkeitsklausel: Es besteht demnach in der Rechtsschutzversicherung kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit Ereignissen, die auf allmähliche Einwirkungen zurückzuführen sind. Der OGH (7 Ob 118/20h = ZVers 2021, 17 m. Anm. Gisch) hat jüngst eine inhaltsgleiche Klausel in den ARB 1994 für intransparent i.S.d. § 6 Abs 3 KSchG und damit für unwirksam erklärt: In den ARB werde der Begriff „Ereignis“ nicht definiert. Der Begriff „Ereignis“ erfahre keine wie immer geartete Umschreibung, sodass für den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer völlig offenbleibe, was darunter zu verstehen sein solle. Auch der Begriff der Einwirkungen werde in keiner Weise konkretisiert, sodass insgesamt völlig unklar sei, welche Art von Einwirkung zu welchem Ereignis führen müsse, um die Voraussetzungen des Risikoausschlusses zu erfüllen. Der Versicherungsnehmer könne damit auch nicht erkennen, welche Interessen, die er mit Rechtsschutz wahrzunehmen beabsichtige, im ursächlichen Zusammenhang mit dem nicht weiter konkretisierten auf allmähliche Einwirkung zurückzuführenden Ereignis stünde und daher vom genannten Risikoausschluss umfasst seien. Die Klausel sei insoweit intransparent. Weiterlesen…

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