Dr. Julia M. König, Der Schadensersatzanspruch drittbetroffener Fluggesellschaften beim Fluglotsenstreik

Drittbetroffenheit im Rahmen von Arbeitnehmerstreiks ist keine Seltenheit; im Gegenteil ist sie eher Regelfall. Die Wirtschaft ist zu vernetzt, als das immer nur die direkten Kampfparteien betroffen sein könnten. Beispielsweise haben regelmäßig Streikmaßnahmen bei Automobilzulieferern Auswirkungen auf die Automobilhersteller, die bei ihrer Produktion auf die Lieferung von Teilen angewiesen sind. Häufig auch nur mittelbar von Arbeitskämpfen berührt sind etwa Bahnreisende. Diese Arten von mittelbarer Drittbetroffenheit werden von den Arbeitskampfparteien als unvermeidbare Folge hingenommen, teils sogar als weiteres Druckmittel begrüßt und führen grundsätzlich nicht zu Schadensersatzansprüchen. Etwas anderes könnte jedoch gelten, wenn bereits die Willensrichtung der streikführenden Gewerkschaft lediglich darauf abzielt, Dritte zu treffen, wenn also der Drittbetroffenheit eine ganz andere Qualität zukommt.
Vor diesem Hintergrund sind die Entscheidungen des BAG vom 25. 8. 20152 hinsichtlich Arbeitskampfmaßnahmen von Fluglotsen kritisch zu sehen. In den zu entscheidenden Fällen klagten jeweils Fluggesellschaften als Drittbetroffene gegen die Gewerkschaft der Flugsicherung auf Schadensersatz aufgrund von rechtswidrigen Streiks bzw. rechtswidrigen Ankündigungen von Arbeitskampfmaßnahmen. Die von den Gewerkschaften eigentlich bestreikte bzw. mit Streik bedrohte Deutsche Flugsicherung GmbH war u. a. für den Tower des Flughafens Stuttgart zuständig. In diesem wurde im Rahmen eines Unterstützungsstreiks für ca. 5 h die Arbeit bis auf Notdiensttätigkeiten niedergelegt, sodass lediglich ein um 75 % verringerter Luftverkehr pro Stunde möglich war; Flüge wurden umgeleitet, verspäteten sich oder fielen ganz aus. Im Fall der rechtswidrigen Streikandrohung gegen die Deutsche Flugsicherung GmbH ging es um mehrere Flughäfen, an denen jeweils zweimal für 4 h die Arbeit niedergelegt werden sollte. Auch wenn diese Streiks letztendlich nicht erfolgten, machten die Fluggesellschaften dennoch Schäden geltend, die ihnen wegen Annullierungen, ausgefallener Buchungen oder Änderungen in Betriebsabläufen aufgrund der Arbeitskampfankündigung entstanden seien.
Das BAG verneinte in beiden Fällen eine Haftung der Gewerkschaft; weder aus vertraglichen noch deliktischen Normen ergäben sich Ansprüche. Diese vollständige Ablehnung der Einstandspflicht könnte in den hier skizzierten Fällen zu weit gehen, möglicherweise hat das BAG die Reichweite des Eingriffs und die Besonderheiten des Flugverkehrs in diesen Entscheidungen verkannt.

Die Autorin, Dr. Julia M. König, widmet sich in ihrem aktuellen Beitrag dem Schadensersatzanspruch drittbetroffener Fluggesellschaften beim Fluglotsenstreik. Der Aufsatz ist zugleich eine Anmerkung zu den Entscheidungen des BAG vom 25. 8. 2015 (1 AZR 754/13) VersR 2016, 1507 und (1 AZR 875/13).

(Der vollständige Aufsatz ist abgedr. in VersR 2017, 1308)