Prof. Dr. Meinrad Dreher, Versicherungsaufsichtsrechtliche Regelungsdefizite

Mit dem VAG 2016 hat der deutsche Gesetzgeber die Solva-II-Richtlinie umgesetzt. Bei seinen zwei Anläufen, zunächst dem Regierungsentwurf des VAG von 2012, der wegen Verschiebungen des Inkrafttretens des Solvency-II-Beginns auf europäischer Ebene nicht verwirklicht wurde, und sodann dem Regierungsentwurf des Jahres 2014, hatte der deutsche Gesetzgeber zeitlich und inhaltlich einen ausreichenden Vorlauf, um das komplexe europäische Solvency-II-Recht national angemessen zu transformieren. Allerdings hat er dabei sowohl selbst gesetzte Ziele wie eine 1 : 1-Umsetzung der Solva-II-Richtlinie als auch Kritik schon im Vorfeld und während des Gesetzgebungsverfahrens an der Unvereinbarkeit des – aus damaliger Sicht – künftigen deutschen Rechts mit dem Europarecht übergangen.
Nachdem das neue Recht seit zwei Jahren gilt, lohnt es sich, sine ira et studio einen Blick auf das System des Versicherungsaufsichtsrechts und auf das VAG als seinen wichtigsten nationalen Teil zu werfen. …
Vor dem Hintergrund geht es im Folgenden zunächst um die Regelungstechnik im Zusammenspiel von europäischem und nationalem Recht und um die Begrifflichkeiten sowie die Begriffsvielfalt im Versicherungsaufsichtsrecht. Im Zentrum des Themas steht sodann der grundsätzliche Vollharmonisierungscharakter der Solva-II-Richtlinie, der zahlreiche Fehler bei der Implementierung der europäischen Vorgaben in das deutsche Versicherungsaufsichtsrecht offenbart. Dem nachgelagert ist weiter eine verfassungsrechtliche Bewertung einiger VAG-Regelungen. Nur ganz kurz anzusprechen sind ferner Redaktionsfehler im neuen VAG, bevor schließlich noch Regelungsprobleme auf der dem nationalen Recht vorgelagerten europäischen Ebene zu thematisieren sind, die ebenfalls der Schaffung eines in sich stimmigen, kohärenten versicherungsaufsichtsrechtlichen Mehrebenensystems entgegenstehen.

(Der vollständige Beitrag ist abgedr. in VersR 2019, 1)