Stefan Möhlenkamp: Wie-Beschäftigung, Bindungswirkung und Sonderfälle der Haftungsprivilegien nach §§ 104 ff. SGB VII abseits des klassischen Arbeitsunfalls

Mit Urteil vom 30. 5. 2017 hat der BGH zu Inhalt und Umfang der Bindungswirkung der Zivilgerichte an für die Anwendung der Haftungsprivilegien aus §§ 104 ff. SGB VII maßgebliche (Vor-)Entscheidungen der zuständigen Unfallversicherungsträger oder SG entschieden. Nach § 108 Abs. 1 SGB VII ist ein Zivilgericht, welches über die §§ 104 ff. SGB VII zu entscheiden hat, an eine unanfechtbare Entscheidung des zuständigen Unfallversicherungsträgers oder eines im Anschluss mit der Sache befassten SG insoweit gebunden, ob ein Versicherungsfall vorliegt, in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind und welcher Unfallversicherungsträger zuständig ist. Trotz der BGH-Entscheidung verursacht § 108 Abs. 1 SGB VII weiterhin Schwierigkeiten, etwa zur Frage der Reichweite der Bindungswirkung, oder die Vorschrift wird von Zivilgerichten schlicht übersehen. Infolgedessen werden Haftungsprivilegien verkannt sowie zu Unrecht oder im falschen Personenverhältnis angenommen.
Bei klassischen Arbeitsunfällen nach § 8 Abs. 1 SGB VII werden die für die Entscheidung des Zivilgerichts erforderlichen Verwaltungsverfahren überwiegend durchgeführt oder es wird vom Zivilgericht erkannt, dass es wegen fehlender Unanfechtbarkeit für den konkret in Anspruch genommenen Schädiger der erneuten Durchführung bedarf. Bei Unfällen, bei denen die Anwendbarkeit der Haftungsprivilegien hingegen nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, da sie sich außerhalb eines typischen Anstellungsverhältnisses vollziehen, wird das Aussetzungserfordernis nach wie vor regelmäßig übersehen. So etwa bei Schadensfällen im Zusammenhang mit der Haltung von Tieren und Kfz, im Rahmen ehrenamtlicher oder vereinsbezogener Tätigkeit sowie bei Hilfeleistungen von Verwandten, Nachbarn oder Freunden. War der Geschädigte im Unfallzeitpunkt Wie-Beschäftigter gem. § 2 Abs. 2 SGB VII in einem im Unfallversicherungsrecht anerkannten Unternehmen, kann ihm Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung zustehen mit der Konsequenz, dass seinem Schädiger möglicherweise ein Haftungsprivileg aus den §§ 104 ff. SGB VII zugutekommt.
Dem Zivilrechtsstreit vorgeschaltete Verwaltungs- oder Sozialgerichtsverfahren auf Anerkennung als Arbeitsunfall haben in den angesprochenen Sonderfällen regelmäßig nicht stattgefunden. Das Zivilverfahren muss daher gem. § 108 Abs. 2 SGB VII grundsätzlich ausgesetzt werden. Oft weiß der Geschädigte nicht, dass er Leistungen nach dem SGB VII beanspruchen kann. Bei Anerkennung eines Arbeitsunfalls verliert er jedoch wegen der cessio legis der §§ 116, 119 SGB VII mit Ausnahme der Schadensspitze die Aktivlegitimation bezüglich etwaiger Schadensersatzansprüche gegen den Schädiger. Dem anschließenden Regress des SVT kann der Schädiger ebenfalls das Haftungsprivileg entgegenhalten.
Der Beitrag behandelt spezielle Fragen der Haftungsprivilegien bei Unfällen in Sonderrechtsverhältnissen sowie im Rahmen der Tier- und Kfz-Haltung unter Berücksichtigung der insoweit maßgeblichen sozialgerichtlichen Rechtsprechung. Ausführlich dargestellt wird die Person des Wie-Beschäftigten nach § 2 Abs. 2 SGB VII, seine Einordnung in das System der §§ 104 ff. SGB VII sowie damit im Zusammenhang stehende Fragen zur Bindungswirkung nach § 108 SGB VII.

(Der vollständige Beitrag ist abgedr. in VersR 2019, 200)