Die rechtliche Bewertung eines Haftpflichtversicherungsfalls spaltet sich in zwei unterschiedliche Rechtsverhältnisse auf. Während einerseits das Haftungsverhältnis getrennt von dem versicherungsrechtlichen Deckungsverhältnis zu bewerten ist, stellt das Bestehen einer gesetzlichen Haftungsverantwortlichkeit zugleich eine Bedingung für den versicherungsvertraglichen Freistellungsanspruch dar.
Um in diesem Spannungsverhältnis zwischen getrennten und zugleich bedingten Rechtsverhältnissen die Funktionsfähigkeit eines Haftpflichtversicherungsvertrags zu gewährleisten, kommt der Rechtsfigur der „Bindungswirkung“ eine entscheidende Bedeutung zu.
Der Grundsatz lautet: Insoweit der VN aus einem Haftungsprozess rechtskräftig zu Schadensersatz verurteilt wird, soll der Versicherer nicht erneut über den haftungsrechtlichen Streitpunkt befinden. Der VN darf vielmehr auf das vertragliche Freistellungsversprechen des Versicherers vertrauen.
An dieser bis in Reichsgerichtstage verwurzelten BGH-Rechtsprechung zur Bindungswirkung hat sich auch mit Inkrafttreten des VVG 2008 nichts geändert. Ungeachtet ihrer langen Rechtsprechungsgenese ist es der Vielschichtigkeit dieser Rechtsfigur geschuldet, dass die Thematik immer wieder Anlass zu Streitfragen gibt. Dies gilt für Fragen der Reichweite einer Bindungswirkung, wie auch für die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit bestimmte Fallkonstellationen von der Bindungswirkung auszunehmen sind, um zu einem interessensgerechten Ergebnis zu gelangen.
Vor diesem Hintergrund widmet sich der Autor, Dr. Ramin Tehrani, in seinem aktuellen Beitrag den Problemen der Bindungswirkung, um ein besseres Verständnis über Bedeutung und Zweck dieser Rechtsfigur zu erhalten.