BGH: Ausgleichszahlung bei Verspätung des für einen annullierten Flug angebotenen Ersatzflugs

Die Kläger begehren eine Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils 600 Euro nach Art.5 Abs.1 Buchst. c i.V.m. Art.7 Abs.1 S.1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung).

Sachverhalt:

Die Kläger buchten bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen einen Flug von Frankfurt am Main nach Singapur mit Anschlussflug nach Sydney, der auf beiden Teilstrecken von der Beklagten durchgeführt werden sollte. Die Beklagte annullierte den ersten Flug von Frankfurt nach Singapur am vorgesehenen Abflugtag und bot den Klägern als Ersatz einen Flug eines anderen Luftverkehrsunternehmens an, der am selben Tag starten und am Folgetag um etwa die gleiche Uhrzeit wie der ursprünglich vorgesehene Flug in Singapur landen sollte. Der Start dieses Fluges verzögerte sich jedoch um etwa 16 Stunden, so dass die Reisenden den ursprünglich vorgesehenen Weiterflug in Singapur nicht erreichten und mit einer Verspätung von mehr als 23 Stunden in Sydney ankamen.

Bisheriger Prozessverlauf:

Das AG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das LG die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von insgesamt 1800 Euro nebst Verzugszinsen verurteilt. Die Regelung in Art.5 Abs.1 Buchst. c Nr. iii Fluggastrechteverordnung sei nach ihrem Sinn und Zweck dahin zu verstehen, dass Ausgleichsansprüche nicht bereits durch ein Angebot zur anderweitigen Beförderung ausgeschlossen würden, sondern nur dann, wenn der Fluggast mit dem angebotenen Ersatzflug sein Endziel tatsächlich höchstens zwei Stunden später als ursprünglich vorgesehen erreicht habe.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der für das Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat des BGH hat die Revision der Beklagten gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen. Die Beklagte bleibt wegen der Annullierung des ursprünglichen, von ihr geplanten Flugs ausgleichspflichtig, da die Kläger mit dem ihnen angebotenen Ersatzflug ihr Endziel tatsächlich nicht höchstens zwei Stunden später als ursprünglich vorgesehen erreicht haben. Dass der angebotene Ersatzflug, wenn er planmäßig durchgeführt worden wäre, den Vorgaben des Art.5 Abs.1 Buchst. c Nr. iii Fluggastrechteverordnung entsprochen hätte, reicht nicht aus, um die Beklagte von ihrer Ausgleichspflicht zu befreien. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Kläger gegen das den Ersatzflug ausführende Luftverkehrsunternehmen Ausgleichsansprüche wegen Verspätung geltend machen könnten. Den Zielen der Fluggastrechteverordnung wird allein durch ein Verständnis des Art.5 Abs.1 Buchst. c Nr. iii Fluggastrechteverordnung Rechnung getragen, wonach ein Ausgleichsanspruch nur dann ausgeschlossen ist, wenn der Fluggast das Endziel mit dem Ersatzflug tatsächlich höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erreichen konnte. Die Begründung eines Ausgleichsanspruchs gegen das den Ersatzflug ausführende Luftverkehrsunternehmen genügt hierfür nicht, zumal eine Verspätung des Ersatzflugs nicht in jedem Fall zu einem Ausgleichsanspruch führt. Ein solcher Anspruch ist beispielsweise ausgeschlossen, wenn das den Ersatzflug ausführende Luftverkehrsunternehmen nicht dem Geltungsbereich der Fluggastrechteverordnung unterfällt oder dessen Verspätung weniger als drei Stunden beträgt.

BGH, Urteil vom 10.10.2017 (X ZR 73/16)

Vorinstanzen: AG Frankfurt/M., Urteil vom 14.10.2015 (31 C 2494/15 [17]); LG Frankfurt/M., Urteil vom 16.6.2016 (2-24 S 208/15)

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Art.5 Abs.1 Buchst. c Fluggastrechteverordnung

Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,

i)sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder

ii)sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder

iii)sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

Art.7 Abs.1 S.1 Buchst. c Fluggastrechteverordnung

Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:

…  600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a oder b fallenden Flügen.

Pressemitteilung des BGH Nr. 158/2017 vom 10.10.2017