Rechtsschutz für Deckungsklage gegen Betriebsunterbrechungsversicherer?
In der Entscheidung des österreichischen OGH vom 24.3.2021 (7 Ob 42/21h) hatte sich das Höchstgericht mit der Frage zu beschäftigen, ob die Rechtsschutzversicherung Klagen gegen den Betriebsunterbrechungsversicherer in Zusammenhang mit Covid-19 deckt.
Die klagende VN betreibt ein Hotel. Aufgrund der behördlich angeordneten „Betriebsschließungen“ war der Beherbergungsbetrieb der VN pandemiebedingt vom 16.3.2020 bis zum Saisonende am 19.4.2020 geschlossen. Die VN begehrte Rechtsschutzdeckung für ein gegen ihren Betriebsunterbrechungsversicherer anzustrengendes Verfahren, mit dem die VN Deckung für den Verdienstentgang anstrebt, der aufgrund von Covid-19 erlassenen Betretungsverbote bzw. Betriebsschließungen entstanden ist.
Der Rechtsschutzversicherer beantragte die Abweisung der Deckungsklage mit der Begründung, dass dieser der Risikoausschluss nach Art. 7.1.4 der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung 2006 (i.d.F. ARB 2006) entgegenstehe:
„Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?
- Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen […]
1.4. in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind; […]“
Der OGH hatte somit darüber zu entscheiden, ob der Tatbestand dieses Risikoausschlusses erfüllt war.
Das Höchstgericht bezweifelte nicht, dass die behördlich angeordneten „Betriebsschließungen“ als hoheitsrechtliche Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet waren, zu qualifizieren sind.
Die entscheidende Frage war jedoch, ob die Klage der VN gegen ihren Betriebsunterbrechungsversicherer als Wahrnehmung rechtlicher Interessen in „unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang“ zur betreffenden hoheitsrechtlichen Anordnung zu qualifizieren sei. Die VN wollte ja nicht gegen die hoheitsrechtliche Anordnung selbst oder die anordnende Behörde vorgehen, sondern mit der angestrebten Klage bloß Deckung für die Nachteile erhalten, die durch die hoheitsrechtliche Anordnung verursacht wurden.
Der erkennende Senat sprach dazu aus, dass auch eine Klage gegen den Betriebsunterbrechungsversicherer in „unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang“ zur betreffenden hoheitsrechtlichen Anordnung stehe und entschied damit – wie schon beide Vorinstanzen – gegen die VN.
Begründung des OGH
Im Wesentlichen stützte sich das Höchstgericht dabei auf zwei Argumente: Zum einen wurde der Zweck des Ausschlusses ins Treffen geführt: Dieser sei, besonders schwer kalkulierbare, weil unabsehbare Risiken auszuschließen, die sich im Gefolge eines außergewöhnlichen Ereignisses verwirklichen, das behördliche Maßnahmen gegen eine größere Anzahl von Personen erfordere.
Zum anderen hob der OGH hervor, dass der Ausschluss explizit auch den „mittelbaren“ Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen genügen lasse und ein solcher in diesem Fall jedenfalls gegeben sei.
Der OGH qualifiziert den Risikoausschluss des Art. 7.1.4 ARB 2006 auch nicht als gröblich benachteiligend i.S.d. § 879 Abs. 3 ABGB: Zum einen bestehe keine einschlägige dispositive Regelung, an der man sich im fraglichen Zusammenhang als Leitbild orientieren könnte. Zum anderen bezwecke der Ausschluss eben, keine Deckung für besonders schwer kalkulierbare, weil unabsehbare Risken zu gewähren, die sich im Gefolge eines außergewöhnlichen Ereignisses verwirklichen, das überdies behördliche Maßnahmen gegen eine größere Anzahl von Personen erfordert. Ein so gestalteter Ausschluss entspreche auch den Interessen der VN nach zuverlässiger Tarifkalkulation.
Ausblick
Das Thema Rechtsschutzversicherung und Covid-19 ist mit dieser Entscheidung aber aus österreichischer Sicht wohl noch nicht abgeschlossen. Die vorliegende Entscheidung beschäftigte sich mit der Auslegung der ARB 2006. Ähnliche, aber nicht wortgleiche Regelungen („in ursächlichem Zusammenhang“) enthalten auch die ARB 2007 bzw. ARB 2015. Zur Auslegung dieser Regelungen hat sich auch bereits eine lebhafte literarische Diskussion gebildet (z.B. Gisch/Weinrauch, Fragen der Rechtsschutzversicherung bei Covid-19-bedingten Deckungsablehnungen des Betriebsunterbrechungsversicherers, RdW 2020, 669). Es bleibt abzuwarten, ob der OGH auch mit diesen Fassungen der ARB befasst werden wird.