Digital Dangers …

Instagram-Posts als Gefahrerhöhung?

Das Internetz (wie der Held von Timur Vermes „Er ist wieder da“ es zu nennen pflegt) treibt schon Blüten, die besonders für den Non-Digital-Native überaus große Freuden bereithalten und gelegentlich Anlass zu leicht melancholischen Reminiszenzen an „Früher …“ geben. So konnte man jetzt auf Twitter lesen, dass eine*r aus der Welt der Transgender Community eine neue sexuelle Identität als Waschbär anstrebt. Und das World Wide Web erleichtert der globalen Gedankengendarmerie die Kontrolle und Regulierung sehr, vor allem die der Sprache: hatte sich das Verbot, stillende Mütter als „breast feeding“ zu bezeichnen (man hatte „chest feeding“ zu sagen, um das männliche Gegenstück zu inkludieren) auch schon bis zum analogen Menschen herum gesprochen, darf man jetzt auch nicht mehr „woman“ sagen („people who menstruate“) oder „mother“ („birthing parent“). Und für Online-Scrabblespieler gibt es seit neuestem einen Katalog mit mehreren hundert Wörtern, deren Buchstabenwerte nicht mehr zählen, weil wegen Verstoßes gegen die Grundsätze von Teilhabe und Partizipation tabu. Stammen die meisten dieser Beispiele aus dem angelsächsischen Sprachraum, haben auch wir zumindest im Ansatz ähnliche Anzeichen für derartige Sensibilitäten: „Mann über Bord“ wird ersetzt durch „Mensch über Bord“ und wer kennt diese unsäglichen Rundschreiben an alle „lieben Mitarbeiter*innen“ nicht?

Jetzt hat die Omnipräsenz des Internetz auch die Assekuranz erreicht: Genießt der*die unschuldige Versicherte noch Schutz aus der Hausratversicherung, wenn er*sie ein Foto von sich aus – sagen wir mal – Ibiza auf Instagram postet und kundtut, wie herrlich die Ferien ohne Mund-Nase-Bedeckung sind? Diese Selbstverstümmelung des Rechts am eigenen Datum könnte problematisch werden, wenn aufmerksame Beobachter das Netz durchforsten, die Anschrift des*der Postenden identifizieren und deren Abwesenheit zu einem kurzen Besuch nutzen, unter Mitnahme der einen oder anderen Lange 1 oder Rolex Oyster Perpetual. Solche Taten kennt man auch schon aus prädigitalen Zeiten: unvergessen der Besuch im Hamburger Thalia-Theater, wo es in der Pause im dicht gedrängten Auditorium zu einem leichten Geschubse (Rotweinglas/Kaffeetasse) kam und anschließend die Handtasche der Dame fehlte, in der leider auch ein Personalausweis mit Anschrift mitgeführt wurde. Die Ermittlungsbehörden hatten keinen Zweifel, dass der noch in der gleichen Nacht verübte Einbruchdiebstahl damit in kausalem Zusammenhang stand: gut vernetzte Banden informieren sich über solche Abwesenheiten und nutzen die unbewachten Momente für ihre unerbetenen Besuche.

Aber im Gegensatz zum Handtaschenraub mit anschließender Frequentierung der heimatlichen Wohnung wird der tatvorbereitende und -erleichternde Instagram-Post ja freiwillig vorgenommen und damit stellt sich natürlich die Frage nach der Gefährdung des Versicherungsschutzes (so zumindest eine Meldung im Daily Telegraph vom 11.7.2020). Kann ein solcher Post, der ja ziemlich unzweideutig anzeigt, dass jeweils zumindest ein Versicherungsort gegenwärtig ohne Aufsicht ist, eine Gefahrerhöhung i.S.d. § 23 VVG sein? Die – weil vorsätzlich – gem. § 26 VVG zur vollständigen Leistungsfreiheit des Versicherers führt? Oder haben wir es mit einer mindestens grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls gem. § 81 VVG zu tun, wobei sich der Grad der Leistungsfreiheit gem. Abs. 2 an der „Schwere des Verschuldens“ misst? Wenn man sieht, welcher Blödsinn da zum Teil gepostet wird, vom Abendessen jeder Gang, vom „Gruß aus der Küche“ bis hin zum Nachtisch, aus drei verschiedenen Perspektiven, dann sollte jeder Richter an eine 100%-Regel + nachdenken, das + vielleicht als rückwirkende Prämienerhöhung wegen mentaler Instabilität.

Nun hat sich die Vereinigung der britischen Versicherer beeilt, mitzuteilen (natürlich über die sozialen Medien), dass ihr kein Fall bekannt geworden sei, wo dergleichen vom Versicherer für eine Deckungsverweigerung benutzt worden sei, aber so ganz von der Hand zu weisen sind solche Überlegungen ja nicht. Vielleicht hilft eine Gefahrenkompensation in Form eines digital überwachten „Smart Homes“; nach dem Ferienpost hält die Familie in Schichten Wache an der Fernbedienungskamera im Smartphone und lauert etwaigen Besuchern auf. Friedrich Schiller hatte schon recht: „Drum prüfe, wer auf Facebook schwört, ist das die Mühe wirklich wert?“