Zunahme von Schiedsverfahren durch „Corona“

Neue Diskussion um Beteiligung „Dritter“ in D&O-Verfahren

Verfahren mit Corona-Bezug werden das ordentliche Gerichtssystem „verstopfen“ und zu einer deutlichen Zunahme von Mediationen und Schiedsverfahren führen. So zumindest Mrs. Justice Cockerill vom „Commercial Court“ in London und der QC Charles Kimmins („The Times“ vom 30.7.2020) kurz vor der mit Spannung erwarteten Entscheidung eines Musterverfahrens über Deckungen aus Betriebsunterbrechungsversicherungen bei Covid-19-Fällen, das die Financial Conduct Authority (FCA) vor den High Court gebracht hat. Solche Verfahren betreffen auch die D&O-Versicherung, weil allein die zu erwartenden Insolvenzen zu einem vermehrten Klageaufkommen führen werden, ungeachtet der offenen Haftungsfragen rund um die Pandemie. Da trifft es sich gut, dass sich gleich aktuelle Publikationen mit der D&O-Versicherung einer- und mit Schiedsverfahren andererseits befassen: zum einen weist Prof. Dr. Christian Armbrüster in seinem VersR BLOG vom 1.8.2020 daraufhin, dass eine D&O-Versicherung eine „eigentümliche Gestaltung“ sei, weil hier der Versicherungsnehmer sich nicht nur einen „liquiden Schuldner“ sichert (Freistellung), sondern zugleich seinem präsumtiven Anspruchsgegner hilft, sich gegen die Inanspruchnahme zur Wehr zu setzen (Abwehrdeckung). Und zum anderen befasst sich der r+s-Autor Prof. Dr. Christian Borris (r+s 2020, 316) mit der aus dieser Atypizität entspringenden Besonderheit, dass es einer besonderen Konstruktion bedarf, Haftungs- und Deckungsverfahren mit ihren drei unterschiedlich Beteiligten uno actu über die Bühne zu bringen.

Soweit allerdings sich Prof. Borris mit dem erga omnes-Urteil des BGH (SchiedsVZ 2009, 233) befasst und meint, die Schiedsordnung der ARIAS Deutschland, der einzigen Institution in Deutschland, die speziell Schiedsverfahren für die Assekuranz anbietet, entspräche den erga omnes-Anforderungen des BGH nicht, muss widersprochen werden. Das Gegenteil ist der Fall. Nach dem BGH müssen alle Verfahrensbeteiligten der Schiedsvereinbarung zugestimmt haben, sie müssen die Möglichkeit gehabt haben, sich am Schiedsverfahren zu beteiligen und sie müssen an der Auswahl/Bestellung der Schiedsrichter mitwirken können. Die Durchführung eines kombinierten Haftungs- und Deckungsverfahrens nach der Schiedsgerichtsordnung der ARIAS Deutschland geht von dem Grundsatz aus, dass sowohl das versicherte Gesellschaftsorgan als auch das Unternehmen und der D&O-Versicherer als Partei an dem Schiedsgerichtsverfahren beteiligt werden. Das setzt natürlich eine Regelung voraus, nach der – bei Innenhaftungsansprüchen – die Gesellschaft dem in Anspruch genommenen Organ die Klärung der Streitigkeit im Wege des Schiedsgerichtsverfahrens anbietet. Macht das Gesellschaftsorgan von dieser Möglichkeit Gebrauch, kann der Versicherer am Schiedsverfahren teilnehmen, muss dessen Ausgang aber in jedem Fall gegen sich gelten lassen. Damit ist die notwendige Zustimmung einer versicherten Person, die nicht Partei des Versicherungsvertrags ist, nicht nur sichergestellt, sondern geradezu Voraussetzung für das Schiedsverfahren. Auch die Kritik von Prof. Borris in Bezug auf die Rolle des Versicherers und dem fehlenden Recht seiner Beteiligung an der Konstituierung des Schiedsgerichts geht deswegen fehl. Tritt der Versicherer als Partei ein (und das kann er gem. § 6 Nr. 2 ARIAS-SchiedsO frei entscheiden), gelten für ihn die gleichen Bestimmungen, wie für die anderen Parteien auch und damit auch das Recht, an der Konstituierung des Schiedsgerichts beteiligt zu sein. Gerade die Pflicht, dass sich mehrere Anspruchsgegner auf einen Schiedsrichter einigen müssen (§ 4 Nr. 2 ARIAS-SchiedsO) oder – alternativ – auch das Recht, weitere Schiedsrichter zu benennen (§ 2 Nr. 1 ARIAS-SchiedsO), belegen das zwingend.

Zweifel an der Rechtswirksamkeit des § 6 ARIAS-SchiedsO, wo nach dem gesetzlichen Vorbild des § 124 VVG eine Rechtskrafterstreckung auf alle Verfahrensbeteiligungen untereinander geregelt ist, sind ersichtlich unbegründet. Das gilt sowohl für § 6 Nr. 3 ARIAS-SchiedsO, nach dem eine Haftungsentscheidung auch gegenüber dem Versicherer wirkt, selbst wenn dieser nicht am Verfahren teilnehmen wollte, als auch für § 6 Nr. 4 ARIAS-SchiedsO, wo geregelt ist, dass eine Klageabweisung Drittwirkung entfaltet, gleichgültig in welchem Verhältnis diese Entscheidung ergeht, und erst recht für § 6 Nr. 5 ARIAS-SchiedsO, nach dem eine versicherte Person einen die Deckung verneinenden Schiedsspruch auch für den Fall gegen sich gelten lassen muss, dass der Haftpflichtanspruch bejaht wird. Diese Regelung stellt insgesamt sicher, dass der Schiedsspruch sowohl den Haftungs- als auch den Deckungsprozess auch dann wirksam endgültig beendet, wenn eine Haftung der versicherten Person bejaht wird, die Deckung durch den Versicherer aber verneint wird. Das alles ist genau das, was die erga omnes-Entscheidung des BGH verlangt und Autor Borris vermisst.

Der Einbezug aller unmittelbar oder mittelbar am D&O-Versicherungsvertrag Beteiligten in das Schiedsverfahren muss durch die Versicherungsbedingungen sichergestellt werden und die Verfahrensbeteiligung aller Beteiligten und deren Bindung an den Schiedsspruch wird durch die ARIAS-SchiedsO garantiert. Demnach sind Schiedsgerichtsverfahren nach der ARIAS-SchiedsO eine effiziente Alternative zur gerichtlichen Gesamtlösung von Organhaftungsstreitigkeiten.