BVerfG: Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde zu BGH-Urteil über die Überschussbeteiligung bei kapitalbildender Lebensversicherung

Versicherungsvertragsrecht
Lebensversicherung
Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde zu BGH-Urteil über die Überschussbeteiligung bei kapitalbildender Lebensversicherung
GG Art. 2, 14, 19 Abs. 4; VAG a. F. §§ 56 a, 81, 81 c; VAG § 294; VVG § 153; BGB §§ 242, 315; BVerfGG §§ 93 a, 93 d
1. Die in Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG enthaltenen objektivrechtlichen Schutzaufträge verpflichten den Gesetzgeber, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die Versicherten einer kapitalbildenden Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung an den durch die Prämienzahlung geschaffenen Vermögenswerten bei der Ermittlung des bei Vertragsende zuzuteilenden Überschusses angemessen beteiligt werden.
2. Dem Gesetzgeber kommt bei der Erfüllung von Schutzpflichten grundsätzlich ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, der auch Raum lässt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen.
3. Die Zivilgerichte werden bei der zukünftigen Bestimmung des Umfangs und des Inhalts von Auskunftsansprüchen im Zusammenhang mit der Überschussbeteiligung gem. § 153 VVG zu berücksichtigen haben, dass die Effektivität des Grundrechtsschutzes nach dem Urteil des BVerfG vom 26. 7. 2005 (BVerfGE 114, 73 [91 f.] = VersR 2005, 1127) Maßstäbe und Möglichkeiten einer rechtlichen Überprüfung daraufhin fordert, ob die maßgebenden Vermögenswerte bei der Berechnung des Schlussüberschusses angemessen berücksichtigt worden sind. Ob die vom BGH aufgestellten Grundsätze ausreichen, um einen effektiven Grundrechtsschutz zu gewährleisten, wird die weitere Entwicklung der Rechtsprechung zeigen.
4. Die Begründung einer Verfassungsbeschwerde erfordert, dass der Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte hinreichend deutlich aufzeigt (vgl. BVerfGE 89, 155 [171]; 98, 169 [196]). Soweit das BVerfG für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe aufgezeigt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffene Maßnahme verletzt werden (vgl. BVerfGE 99, 84 [87]). Bei Urteilsverfassungsbeschwerden ist zudem in der Regel eine ins Einzelne gehende argumentative Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung erforderlich. Es bedarf demnach einer umfassenden einfachrechtlichen und verfassungsrechtlichen Aufarbeitung der Rechtslage.
5. Hier: Zur Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde wegen unzureichender Substanziierung
a) der Rüge, der Gesetzgeber habe den Schutzauftrag verletzt, weil er nicht geregelt habe, wie das Versichertenkollektiv an den Überschüssen des Versicherungsunternehmens zu beteiligen sei,
b) der Rüge einer Grundrechtsverletzung durch die Rechtsprechung des BGH, nach der § 315 BGB im Rahmen der ­Regelung der Überschussbeteiligung gem. § 153 VVG keine Anwendung findet,
c) der Rüge gegen das Urteil des BGH (BGHZ 204, 172 = VersR 2015, 433) hinsichtlich der Verneinung ­eines Auskunftsanspruchs bezüglich der mathematischen Berechnung seiner Beteiligung am Überschuss und an den Bewertungsreserven einschließlich ihrer Berechnungs­grundlagen.
BVerfG, Beschluss vom 17. 2. 2017 (1 BvR 781/15)

(Die vollständige Entscheidung ist abgedr. in VersR 2017, 409)