Jürgen Basedow ist am 6. April 2023 verstorben.
Noch im Januar dieses Jahres nahm er an einer Konferenz zu den Principles of Reinsurance Contract Law (PRICL) am Sitz von UNIDROIT in Rom teil. Er schien bei bester Gesundheit, bereicherte die Diskussionen wie gewohnt mit intellektueller Brillanz und prägte die Atmosphäre durch seine so liebenswürdige, gewinnende Persönlichkeit.
Jürgen Basedow, 1949 in Hamburg geboren, war ein wahrhaft internationaler Rechtswissenschaftler mit weltweiter Vernetzung und weltweitem Renommee. Den Grundstein hatte er bereits in jungen Jahren durch Studien in Genf, Pavia, Den Haag und Cambridge (Massachusetts) gelegt. Es folgte eine exzellente akademische Karriere eines Ausnahmewissenschaftlers, nicht nur in einem Rechtsgebiet, sondern in mehreren. Sein Hauptinteresse galt dem Internationalen Privatrecht, der Rechtsvergleichung, dem europäischen Privatrecht, und in dieser Breite insbesondere dem Wirtschaftsrecht, vor allem dem Wettbewerbs-, Kartell- und Regulierungsrecht, dem Transport- und Verkehrsrecht, dem Recht des geistigen Eigentums, dem Versicherungsrecht und dem AGB-Recht.
Von 1997 bis 2017 war er Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht und Professor an der Universität Hamburg. Er nahm Gastprofessuren in Italien, Frankreich, Russland, England, Holland, Tunesien und den USA wahr. An der Académie de droit international de La Haye hielt er den Kurs zum Internationalen Wettbewerbsrecht (1997) und den Kurs zum Allgemeinen Teil des Internationalen Privatrechts (2012).
Sein akademisches Wirken wurde durch zahlreiche Ehrendoktorwürden (Stockholm, Tiflis, Fukuoka, Paris II, Valencia und Lüneburg) und eine Ehrenprofessur an der Universität Xi’an sowie durch viele Ehrenmitgliedschaften in wissenschaftlichen Vereinigungen gewürdigt.
Seine gewaltige, international beachtete und wertgeschätzte Forschungsleistung kann an dieser Stelle nicht auch nur annähernd angemessen beschrieben werden. Sein auf der Homepage des Max-Planck-Instituts Hamburg abrufbares Publikationsverzeichnis von 56 Seiten und die dort ebenfalls zugängliche Vita sprechen für sich. Sie geben Zeugnis von seiner außerordentlichen Kraft, Strukturiertheit und Genialität, die es ihm erlaubten, in „seinen Rechtsbereichen“ mit weltweiter Resonanz und Strahlkraft zu wirken. Diese Strahlkraft wird in seinem wissenschaftlichen Werk und in seinen vielen akademischen Schülerinnen und Schülern fortwirken.
Aufgrund seiner wissenschaftlichen Exzellenz war Jürgen Basedow als Berater auch von Politik und Praxis sehr gefragt. Von 2000-2008 war er Mitglied der Monopolkommission, davon vier Jahre deren Vorsitzender. Hervorgehoben sei hier auch seine Mitgliedschaft in der vom Bundesjustizministerium eingesetzten Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, die maßgeblich dazu beitrug, das VVG 1908 im Jahre 2008 buchstäblich in ein neues Jahrhundert zu führen.
Für das internationale, europäische und nationale Versicherungsrecht hegte er ein besonderes Interesse. Er war Gründungsmitglied der PEICL-Group, welche die weltweit viel beachteten Principles of European Insurance Contract Law erarbeitet hat (1999-2014). Und er gehörte bis zuletzt der PRICL-Group an, die sich in internationaler Zusammenarbeit von Wissenschaft und Praxis um Prinzipien der Rückversicherung in Gestalt von kommentierten Modellvorschriften bemüht.
Jürgen Basedow bereicherte diese beiden Gruppen zum internationalen Versicherungsrecht in ganz außergewöhnlicher Weise. Was ihn in der wissenschaftlichen Diskussion besonders auszeichnete war seine Sicht von höherer Warte; sie erlaubte es ihm, Strukturen klarer zu sehen und so auf die Systemgerechtigkeit der zu erarbeitenden Lösungen hinzuwirken. In der diskursiven Überzeugungsarbeit war er hartnäckig, wenn der Punkt aus seiner Sicht noch nicht getroffen war, und zugleich gewinnend verbindlich, wenn dies gruppendynamisch noch erreichbar schien. Zeigte er – ausnahmsweise – Resignation, dann war dies für die Gruppe besonderer Anlass, das bisher Besprochene noch einmal zu hinterfragen, meist mit dem Ergebnis, dass die Diskussion wiederaufgenommen wurde und und sich dann auf das von ihm gewünschte Ergebnis hin entwickelte. Bei allem wirkte er nicht nur als brillanter Rechtswissenschaftler, sondern auch als verlässlicher und liebenswürdiger kollegialer Freund.
Jürgen Basedow war auch Mitglied des Karlsruher Forums für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht, das die Zeitschrift VersR und der Verlag Versicherungswirtschaft jährlich ausrichten. Auf dem Forum 2015 hielt er eines der Grundlagenreferate zum Thema „Europäisierung des Haftungs- und Versicherungsvertragsrechts“. Er hat auch diesen Kreis durch seine wissenschaftlichen Beiträge und seine Person gedanken- und wortmächtig bereichert.
Die Teilnehmer des Karlsruher Forums, die Schriftleitung der Zeitschrift VersR und der Verlag Versicherungswirtschaft gedenken Jürgen Basedow in Ehre und Dankbarkeit.
Manfred Wandt
