Nachruf – Prof. Dr. Gerrit Winter

Gerrit Winter ist am 27. Januar 2022, kurz vor Vollendendung seines 87. Lebensjahres, in Hamburg plötzlich und unerwartet verstorben. Er war bis zuletzt als Dozent und stellvertretender Programmdirektor im Masterstudiengang Versicherungsrecht für die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Hamburg und das Seminar für Versicherungswissenschaft tätig und hat in seiner Eigenschaft als Ehrenmitglied des Präsidialrats der Association Internationale de Droit des Assurances (AIDA) an Sitzungen teilgenommen.

Gerrit Winter wurde 1935 in Gotha geboren und studierte an den Universitäten Würzburg und Göttingen deutsches Recht und an der Universität Oxford englisches Recht. In seiner von Wilhelm Ebel betreuten Dissertation aus dem Jahre 1962 wendete er sich gegen das damals noch einhellig vertretene versicherungsrechtliche Bereicherungsverbot. Nach Assistenten- und Dozentenjahren in Göttingen und Hamburg bei Hans Möller und Karl Sieg wirkte er seit 1977 als Universitätsprofessor für Bürgerliches Recht, Versicherungsrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Hamburg. Bis zur Neubesetzung des Lehrstuhls im Jahre 2006 war Gerrit Winter im Zusammenwirken und im Wechsel mit Manfred Werber in der Leitung des Seminars für Versicherungswissenschaft und des Versicherungswissenschaftlichen Vereins in Hamburg e.V. tätig.

Im Mittelpunkt des wissenschaftlichen Wirkens von Gerrit Winter stand die Lebensversicherung und das Versicherungsaufsichtsrecht. Mit seiner Kommentierung der Lebensversicherung im Großkommentar Bruck/Möller (10. Aufl. 2013) hat er auf Gesetzgebung und Rechtsprechung maßgeblich Einfluss genommen. In seiner mehr als 800 Seiten umfassenden Monografie „Versicherungsaufsichtsrecht: kritische Betrachtungen“, die er 2007 veröffentlichte und die 2013 nachgedruckt wurde, plädierte er für eine liberale Sicht des Aufsichtsrechts und kritisierte die Regulierungsverdichtung. Das Werk ist eindrucksvoller Beleg seiner wissenschaftlichen Leidenschaft für Grundlagenfragen, seines tiefen Systemverständnisses und seiner ausgeprägten und klugen Interessenabwägung. Von seiner wissenschaftlichen Reputation und der hohen persönlichen Wertschätzung, die Kollegen in Wissenschaft und Praxis ihm entgegenbrachten, zeugen die Festschriften „Liber discipulorum für Gerrit Winter“ (2002) und „Liber amicorum für Gerrit Winter“ (2007).

Gerrit Winter hat vom Beginn seines Wirkens als Universitätsprofessor in der Vergabe und Betreuung von Promotionsvorhaben ein wichtiges Mittel der Wissenschaftsförderung gesehen und sich auf diesem Felde ungewöhnlich stark engagiert. Insgesamt hat er 117 Dissertationen betreut, deren Themen systematisch dem Gesamtbereich des Versicherungsrechts entnommen wurden. Zu seinen Doktoranden zählen u. a. Burkhard Messerschmidt, Dieter Schwampe, Florian Krause-Allenstein, Gunne Bähr und Hubertus Labes. Das Hamburger Seminar profitiert bis heute von dem daraus resultierenden Netzwerk, das durch die von Gerrit Winter initiierte Gründung des Vereins der Freunde des Seminars im Jahre 2008 einen institutionellen Rahmen erhielt.

Gerrit Winter genoss durch sein Wirken als Vorsitzender verschiedener Arbeitsgruppen von AIDA – er leitete mehr als 10 Jahre die Arbeitsgruppe State Supervision of Insurance – und im Präsidialrat nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen (Versicherungs-)Welt einen exzellenten Ruf als Wissenschaftler, was seinen Ausdruck in vielfältigen Einladungen zu Forschungsaufenthalten und Vorträgen im Ausland fand. Gerrit Winter war aber nicht nur Jurist, sondern auch Künstler. Überall, wo er im Laufe seines beruflichen Lebens hinkam, hat er gemalt – bis zuletzt – auch abstrakt, aber meist figurativ – bevorzugt Portraits. Die Portraits von seinen Vorgängern am Seminar schmücken das Deutsche Versicherungsmuseum in Gotha. In seiner Leidenschaft zur Malerei wurde er durch seine Frau Christiane – eine Kunsthistorikerin – bestärkt.

Die vorstehenden Zeilen lassen bereits erahnen, dass Gerrit Winter ein sehr erfülltes und ihn erfüllendes Leben hatte. Seine besondere Wirkkraft schöpfte er daraus, dass er nicht ich-bezogen, sondern ein Gesprächspartner war, der anderen Menschen zugewandt, klug, gebildet, geist- und humorvoll war. Unsere Trauer über seinen Verlust verbindet sich mit bleibender dankbarer Erinnerung an einen Freund und Kollegen mit großer fachlicher und menschlicher Ausstrahlung und Wärme. Die Fakultät und das Seminar für Versicherungswissenschaft verlieren mit ihm einen renommierten Vertreter seines Faches.

Robert Koch und Manfred Werber, Hamburg