Der Halter eines angeleinten Weimaraners muss sich die eigene sog. Tiergefahr nicht schadensmindernd anrechnen lassen, wenn sein Hund ohne vorheriges auffallendes Verhalten von einem sich losreißenden Rottweiler gebissen wird. Die Tiergefahr des Halters des Weimaraners tritt vollständig hinter die Tiergefahr des Halters des Rottweilers zurück, betonte das OLG mit der Entscheidung und bestätigte die landgerichtliche Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz.
Der Kl. ging Anfang März 2018 gegen 20.00 Uhr mit seinem Weimaraner Rüden spazieren. Er begegnete der Bekl. und ihrem Rottweiler. Ob der Rottweiler den Weimaraner biss, ist zwischen den Parteien streitig. Im Anschluss an die Begegnung wurde der klägerische Hund über einen Monat hinweg tierärztlich behandelt. Der Kl. verlangt nunmehr Ersatz der Tierarztkosten in Höhe von knapp 3.000 €, 1.000 € Schmerzensgeld sowie Verdienstausfall infolge der Betreuung des Hundes, insgesamt gut 5.000 €. Er behauptet, der Rottweiler habe sich losgerissen, ihn umgeworfen und seinen Hund durch Bisse in den Hals verletzt. Die Bekl. behauptet, die jeweils angeleinten Hunde hätten lediglich kurze Zeit „Schnauze an Schnauze“ gestanden.
Das LG hat der Klage in Höhe von 3.017,17 € stattgegeben. Das OLG maß der hiergegen von der Bekl. eingelegten Berufung keinen Erfolg zu. Das LG habe auf Grundlage der Parteiangaben und des eingeholten Sachverständigengutachtens für das Berufungsverfahren bindend eine Haftung der Bekl. über die Grundsätze der Tierhalterhaftung angenommen. Der Rottweiler habe den Weimaraner angegriffen. Der Weimaraner habe keine aggressiven Handlungen ausgeführt; insbesondere habe er nicht vor der Attacke gebellt.
Der Kl. müsse sich auch keine eigene Tierhaftung des verletzten Weimeraners schadensmindernd anrechnen lassen. Vielmehr trete diese Tiergefahr, so das OLG; hinter die des Rottweilers vollständig zurück.$S$
Die Tiergefahr des Rottweilers überwiege die des Weimaraners schon deshalb, da dieser den Weimaraner angegriffen habe. Weiter vertieft das OLG: „Hinzu kommt, dass es sich (nur) bei dem Rottweiler um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 2 Abs. 1 der hessischen Hundeverordnung handelt, der Hund also schon grundsätzlich als mensch- bzw. tiergefährdend anzusehen ist“. Soweit die Bekl. den Charakter des Hundes als ungefährlich „gutmütig“ und „lieb“ beschrieben habe, stehe das im Widerspruch zum streitgegenständlichen Vorfall. Schließlich erlange Bedeutung, dass nur die Bekl. und nicht der Kl. die Kontrolle über das jeweils geführte Tier verloren hätten. Die Bekl. sei damit der nach der Verordnung bestehenden Verpflichtung, das Tier so zu führen, dass von ihm keine Gefahr für Leben oder Gesundheit für Menschen oder Tiere ausgehe, nicht gerecht geworden. „Es wäre Sache der Beklagten (…) gewesen, jedes Zulaufen des Rottweilers auf den Kläger und seinen Hund zu verhindern“, betont das OLG abschließend.
Die Berufung wurde auf diesen Hinweisbeschluss hin zurückgenommen. Das landgerichtliche Urteil ist damit rechtskräftig.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 25.8.2022 – 11 U 34/21
(Pressemitteilung des OLG Frankfurt vom 11.11.2022)