VersR REPORT: Ausgewählte neue Rechtsprechung zur Sachversicherung

Im Folgenden werden Urteile des BGH und der OLG – vornehmlich aus dem Jahr 2023 zur Sachversicherung vorgestellt.

I. Betriebsschließungsversicherung

Der BGH hatte im ersten Grundsatzurteil zur Betriebsschließungsversicherung wegen Covid-19 den Versicherungsschutz versagt, wenn in den Bedingungen auf die §§ 6, 7 IfSG Bezug genommen wird, auch wenn im Katalog der Krankheiten und Krankheitserregern der AVB Covid-19 und SARS-CoV 2 nicht erwähnt werden.

In der zweiten Grundsatzentscheidung war kein abgeschlossener namentlich genannter Katalog an Krankheiten und Krankheitserregern in den AVB enthalten, sondern lediglich eine dynamische Verweisung auf die §§ 6,7 IfSG. Zunächst hält der BGH erneut fest, dass die intrinsische Gefahr des Betriebes keine Voraussetzung für die Deckung ist. Für die in den Bedingungen vorausgesetzte behördliche Anordnung der Schließung des Betriebs des VN genügt danach eine auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes erlassene Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung. In der Bezugnahme der Bedingungen auf die in §§ 6 und 7 des IfSG namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger sieht der BGH keine Beschränkung des Leistungsversprechens auf den Rechtszustand im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Dies ergebe sich aus der Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB. Wegen des insoweit nicht eindeutigen Wortlauts der AVB könne der durchschnittliche VN entweder den Schluss ziehen, dass für den Gesetzesstand der §§ 6, 7 IfSG der Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder auch der Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls maßgeblich sei. Eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB lehnt der BGH ab.

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VersR REPORT: Ausgewählte neue Rechtsprechung zum Allgemeinen Teil und zu den Schlussvorschriften des VVG (§§ 1–58, 209–216 VVG, VVG-InfoV

Im Folgenden werden Urteile des BGH und der OLG – vornehmlich – aus dem Jahr 2023 zum Allgemeinen Teil des VVG vorgestellt. Berichtsfähige Urteile zu den Schlussvorschriften des VVG sind im Berichtszeitraum nicht ergangen.

I. Versicherungsvertrag (§ 1 VVG)

1. Abgrenzung zu anderen Vertragstypen

Das OLG Hamburg (Urt. v. 24.11.2022 – 15 U 103/21 Kart, VersR 2023, 1382) stellte fest, dass ein Vollwartungsvertrag für Windenergieanlagen („Integriertes Service-Paket“), der neben Wartungs- und Überwachungspflichten auch die Instandsetzung von Verschleißschäden und eine durch pauschalierten Schadensersatz abgesicherte Verfügbarkeitsgarantie enthält, kein Versicherungsvertrag sei. Unter Hinweis auf die (ständige) Rechtsprechung des BGH (zuletzt BGH v. 26.11.2015 – VI ZR 488/14, VersR 2017,188) stellte es darauf ab, dass die vereinbarten (lediglich) versicherungsartigen Vertragspflichten dem Vertrag nicht sein eigentliches rechtsrechtliches Gepräge geben, sondern in einem inneren Zusammenhang mit einem anderen Rechtsgeschäft stehen und in dessen Rahmen lediglich unselbstständige Nebenabreden sind. Kern des Vertrags sei die langfristige Gewährleistung der technischen Funktionsfähigkeit der Anlage, nicht die zu ihrer Absicherung getroffenen ergänzenden Zusagen. Das OLG hat die Revision u.a. auch hinsichtlich der Frage zugelassen, ob auf den Vollwartungsvertrag versicherungsrechtliche Bestimmungen (gegebenenfalls analog) anzuwenden sind.

2. Abgrenzung von Aufhebungsvertrag und Kündigung, Neuabschluss und Aufhebung eines Altvertrages als einheitliches Geschäft

Eine von einem Versicherungsvertreter initiierte Umdeckung einer Berufsunfähigkeitsversicherung zwecks Umstellung auf ein neues Bedingungswerk erfolgte durch Kündigung des bestehenden Vertrags und Neuabschluss eines neuen Vertrags. Vom Neuvertrag trat der Versicherer wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht rechtskräftig zurück. Das OLG Saarbrücken (Urt. v. 15.2.2023 – 5 U 36/22, VersR 2023, 425) gab der Feststellungsklage der VN statt, dass der Rücktritt des Versicherers vom Neuvertrag zur Folge habe, dass der vorbestehende Vertrag nicht beendet worden sei. Bei angemessener Würdigung aller Umstände durfte der Versicherer die von der VN erklärte „Kündigung“ nur als ein Angebot auf einvernehmliche Aufhebung des alten Versicherungsvertrags ansehen, um diesen nahtlos durch den neuen Versicherungsvertrag zu ersetzen. Da die Aufhebungsvereinbarung für den Versicherer erkennbar mit dem Bestand des neuen Vertrags „stehen und fallen“ sollte, erstreckt sich die Wirkung des Rücktritts vom neuen Vertrag auch auf die Aufhebungsvereinbarung des Altvertrags.

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VersR Blog: Neues aus Köln zur D&O-Versicherung

von Prof. Dr. Christian Armbrüster

Im freundlichen Wettstreit zwischen Köln und Düsseldorf galt bislang: Köln hat bei der Anzahl der Karnevalsbesucher die Nase vorn, Düsseldorf dafür bei der Anzahl der grundlegenden OLG-Entscheidungen zur D&O-Versicherung. Womöglich deutet sich allerdings gerade eine gewisse Verschiebung an, jedenfalls was die D&O-Rechtsprechung angeht. Das OLG Köln hat mit Urteil vom 21.11.2023 (9 U 206/22, BeckRS 2023, 33886; s. dazu schon Langheid, VersR BLOG vom 30.11.2023) zu mehreren praxisrelevanten Themen Stellung bezogen, zu denen aus Düsseldorf bislang – gewiss allein mangels geeigneter Fälle – nichts Grundsätzliches zu vernehmen war.

Zu beurteilen waren Fragen, die sich bei der Geltendmachung des Anspruchs gegen den Versicherer nach dessen Abtretung durch das Organmitglied – hier: einem GmbH-Geschäftsführer – an die versicherungsnehmende Gesellschaft stellen. Derartige Abtretungen kommen dem Vernehmen nach in der Praxis eher selten vor, dies ungeachtet der Tatsache, dass der BGH (BGHZ 209, 373 = VersR 2016, 786, Rn. 16 ff.) ihre Zulässigkeit mit der Folge, dass sich durch die Abtretung der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch verwandelt, für die Praxis geklärt hat. Womöglich hängt diese Zurückhaltung nicht zuletzt mit einigen noch ungeklärten Folgefragen zusammen. Insbesondere zu zwei dieser auf obergerichtlicher Ebene bislang nicht entschiedenen Fragen nimmt das OLG Köln Stellung, nämlich zu den Auswirkungen eines Stillhalteabkommens zwischen VN und Organmitglied sowie zu der Frage, ob sich an der Beweislastumkehr nach § 93 Abs. 2 S. 2 AktG infolge der Abtretung etwas ändert.

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VersR REPORT: Ausgewählte Rechtsprechung zur Kraftfahrtversicherung

Dr. Florian Dallwig

Im Folgenden sollen aus der umfangreichen Rechtsprechung zur Kraftfahrtversicherung aus dem Berichtszeitraum November 2022 bis November 2023 die wesentlichen, für die Praxis bedeutsamen höchstrichterlichen und obergerichtlichen Entscheidung dargestellt werden. Ein Schwerpunkt der veröffentlichten Entscheidungen lag auf Rechtsfragen aus der Kaskoversicherung.

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VersR BLOG: Beweis- und andere Lasten

Das OLG Köln hat sich zum D&O – Direktprozess geäußert

In einer noch sehr frischen Entscheidung hat sich das OLG Köln zur Beweissituation geäußert, die entsteht, wenn die Versicherungsnehmerin einer D&O – Versicherung sich den Deckungsanspruch ihres Organs abtreten lässt und dann unmittelbar gegen den D&O – Versicherer vorgeht (AZ 9 U 206/22). Gilt dann noch die Beweislast des § 43 Abs. 1 GmbHG (entsprechend § 93 Abs. 2 S. 2 AktG), wonach das Organ (und jetzt also der Versicherer) nachweisen muss, dass ihm kein Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten anzulasten ist oder er ohne Verschulden gehandelt hat oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre? Oder dreht sich die Beweislage zu Lasten der Versicherungsnehmerin, weil diese aus dem abgetretenen Deckungsanspruch vorgeht, und da trägt sie gemeinhin die Vortrags- und Beweislast für alle anspruchsbegründenden Tatsachen. Das OLG Köln hat entschieden, dass die Beweislastverteilung des gesellschaftsrechtlichen Haftungsgrundes fortbesteht. Der Versicherer tritt also an die Stelle der versicherten Person und die Versicherungsnehmerin muss nur ihren Schaden nachweisen und nicht sämtliche anspruchsbegründenden Umstände. Das wird als großer Sieg gefeiert, weil es die Prozesslage der D&O – Versicherungsnehmer entscheidend verbessere. Das Urteil stärke die Position der Unternehmen und es sei zunehmend attraktiv, direkt gegen den Versicherer und nicht gegen das versicherte Organ vorzugehen.

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