AG München: Unfallverursacher trägt Werkstattrisiko

Das Risiko überhöhter Instandsetzungsrechnungen bleibt beim Schadensersatzpflichtigen. Das AG München verurteilte den Kfz-Versicherer des alleinschuldigen Unfallverursachers zur Zahlung weiterer 428,46 Euro zuzüglich vorgerichtlicher Auslagen und Zinsen Zug um Zug gegen die Abtretung möglicher Ansprüche des Kl. gegenüber der Werkstatt aufgrund unrichtiger Rechnungsstellung.

Bei einem Verkehrsunfall am 7.5.2017 in München wurde der sechs Jahre alte Pkw der Marke Ford Mondeo des Kl. durch alleiniges Verschulden eines Beschäftigten einer bei der Bekl. versicherten Firma so beschädigt, dass die vordere Stoßstange und der vordere linke Kotflügel ersetzt werden mussten. Der bekl. Versicherer erstattete jedoch nur 3.611,26 Euro der dem Kl. von der von ihm beauftragten Werkstatt in Rechnung gestellten Kosten über 3.944,70 Euro.

Er begründete die Kürzung damit, dass die Werkstattrechnung überhöht sei: eine zweifache Spureinstellung sei nur bei vorangegangener Vermessung notwendig, für die aber kein Protokoll vorgelegt worden war. Die Position „Anbauteile für Instandsetzung und/oder Lackierung“ sei nicht nachvollziehbar, ebenso wenig der für ein sogenanntes Lackfinish geforderte Betrag, da ein Polieren hier nicht notwendig gewesen sei. Ein Betrag über 100 Euro für eine „Fahrzeugverbringung“ sei gleichermaßen unverständlich. Die für die Mithilfe bei einer zeitlich vorangegangenen Begutachtung in Rechnung gestellten Kosten seien nicht im Rahmen der Reparatur angefallen. Der Kl. hätte aufgrund seiner Schadensminderungspflicht diese Unrichtigkeiten der Rechnung erkennen und gegenüber der Werkstatt rügen müssen. Hilfsweise beantragte der Bekl. nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche gegenüber der Werkstatt aufgrund unrichtiger Rechnungsstellung zur Zahlung verurteilt zu werden.

Der Kl. beantragte Erstattung aller ihm in Rechnung gestellter Werkstattkosten: Schließlich habe er ein gesetzliches Wahlrecht auf Reparatur in Eigenregie oder auf eine durch den Schädiger vorzunehmende Reparatur. Hätte er letzteres gewählt, wäre das Risiko überhöhter Rechnungen ja auch vom Bekl. zu tragen gewesen. Von ihm könne auch nicht verlangt werden, die eventuellen Unrichtigkeiten der Rechnung erkennen zu müssen.

Die zuständige Richterin am AG München gab dem Kl. Recht, allerdings Zug um Zug gegen Abtretung seiner Ansprüche gegen die nach Meinung der Bekl. falsch abrechnende Werkstatt, die somit durch die Bekl. selbst gegenüber der Werkstatt geltend gemacht werden können.

„Das Werkstattrisiko hat grundsätzlich der Bekl. zu tragen, sodass der Kl. die restlichen Reparaturkosten auch wenn diese tatsächlich überhöht wären, ersetzt verlangen kann. Nach Auffassung des Gerichts ist es nicht entscheidungserheblich, ob es sich um eine erforderliche Reparaturmaßnahme handelt.“

Das sogenannte Werkstattrisiko „muss vielmehr in der Sphäre des Schädigers verbleiben, denn es besteht kein Sachgrund, dem Schädiger das Werkstattrisiko abzunehmen, das er auch zu tragen hätte, wenn der Geschädigte ihm die Beseitigung des Schadens … überlassen würde. … Die Ersatzpflicht erstreckt sich vor allem auch auf diejenigen Mehrkosten, die ohne Schuld des Geschädigten – etwa durch unsachgemäße Maßnahmen der von ihm beauftragen Werkstatt – verursacht worden sind …. Den beschränkten Kenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten des Geschädigten sind bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt, vor allem, sobald er, wie im vorliegenden Fall einen Reparaturauftrag erteilt und das zu reparierende Objekt in die Hände von Fachleuten gibt. … Der Geschädigte konnte auch nicht erkennen ob eine Spureinstellung nur bei Vorliegen eines Vermessungsprotokolls notwendig ist bzw. wie hoch die Lackierkosten sein dürfen und ob Verbringungskosten und Kosten für die Gutachtenserstellung üblich sind oder nicht.“

AG München, Urteil vom 16.4.2018 (332 C 4359/18)

(Pressemitteilung des AG München Nr. 60 vom 27.7.2018)