AG München: Der Stein des Anstoßes – Verkehrssicherungspflicht bei starkem Schneefall

Die Verkehrssicherungspflicht erfordert es nicht, bei starkem Schneefall den Parkplatz, insbesondere die sich dort auf Grünanlagen hinter der Bordsteinkante befindlichen großen Steine oder Felsbrocken, von Schnee zu räumen.

Tatbestand:

Der Geschäftsführer einer Geschäftsentwicklungsfirma befuhr am 2.2.2015 um 19.20 Uhr mit dem Pkw des Typs Audi Q7 den Parkplatz eines Supermarkts. Zu diesem Zeitpunkt herrschte starkes Schneetreiben. Tagsüber war bereits über mehrere Stunden sehr viel Schnee gefallen. Neben der Parkbucht, auf der das Fahrzeug der Kl. stand, befand sich im Bereich der Anpflanzungen ein Felsbrocken. Kurze Zeit später fuhr er nach dem Einkauf nach Hause und bemerkte dann, dass das linke Vorderrad im Bereich des linken Kotflügels und der linken Fahrertür beschädigt war. Der Schaden betrug insgesamt 3601,89 Euro. Der Geschäftsführer meinte, dass er beim Herausfahren aus der Parklücke gegen einen Felsbrocken, der wegen des Schnees nicht erkennbar gewesen sei, gestoßen ist. Auch die Bordsteinkante neben der Parklücke sei schneebedeckt und nicht erkennbar gewesen. Der Grundstückeigentümer hatte die Räum- und Streupflicht im Mietvertrag auf den Supermarkt übertragen. Der Geschäftsführer war der Meinung, dass der Grundstückseigentümer und der Supermarkt ihre Verkehrssicherungspflichten durch falsche Lagerung des Felsbrockens und ungenügender Räumung des Parkplatzes sowie fehlender Anbringung von sichtbaren Markierungen verletzt haben und ihm den Schaden ersetzen müssen. Beide weigern sich zu zahlen. Es kam zum Prozess am AG München.

Die zuständige Richterin gab dem Grundstückseigentümer und dem Supermarkt Recht. Der Geschäftsführer sei selbst für seinen Schaden verantwortlich.

Aus den Gründen:

Nach einer Beweisaufnahme stellte das Gericht fest, dass der Grundstückseigentümer regelmäßig kontrolliert hat, dass der Parkplatz geräumt und in einem ordnungsgemäßen Zustand ist.

Der Felsbrocken musste nach dem Urteil des Gerichts nicht als Gefahrenquelle beseitigt oder besonders gesichert werden. „Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der Felsbrocken auf der Grünanlage neben den Parklücken befand, die durch eine Bordsteinkante begrenzt wurde“, so das Urteil. „Randsteine dienen der Begrenzung der eigentlichen Parkfläche … Sie sind entsprechend ihrer Begrenzungsfunktion nicht zum „Darüber-Fahren“ konzipiert … Dabei ist unerheblich, wie weit der Felsen von der Bordsteinkante entfernt ist, da die Begrenzungsfunktion – wie bereits erwähnt – bereits von der Bordsteinkante ausgeht. Anders wäre dies nur zu beurteilen, wenn der Felsbrocken die Borsteinkante überragen würde, was vorliegend jedoch zweifellos nicht der Fall ist“, so das Urteil weiter. Der Geschäftsführer hätte nach dem Urteil des Gerichts sein Verhalten den besonderen Wetterverhältnissen anpassen müssen. Insoweit sei er überwiegend selbst schuld an dem Unfall. Der Grundstückseigentümer und der Supermarkt haben ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. „Dieses starke Schneetreiben über mehrere Stunden hinweg ist als außergewöhnliche Wetterlage zu beurteilen. Bei dieser außergewöhnlichen Wetterlage kann nach der herrschenden Rechtsprechung eine Räum- und Streupflicht allerdings nur im Rahmen des Zumutbaren bestehen. Es erscheint … aus Sicht des Gerichts als unzumutbar, bei einer solchen Wetterlage den Parkplatz, insbesondere die sich dort auf Grünanlagen hinter der Bordsteinkante befindlichen großen Steine oder Felsbrocken, von Schnee befreien zu müssen“, so das Urteil.

AG München, Urteil vom 2.6.2016 (161 C 22917/15)

(Das Urteil ist rechtskräftig.)

(Pressemitteilung des AG München Nr. 20/17 vom 10. 3. 2017)