BGH: Zur Wirksamkeit von § 8b Abs. 1 MBKK 2009 für die Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung

Der u.a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass eine wirksame Grundlage für Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung in § 8b Abs. 1 MBKK 2009 (Musterbedingungen 2009 des Verbandes der privaten Krankenversicherung; im Folgenden: MBKK) in Verbindung mit den Tarifbedingungen des Versicherers enthalten ist. Dies betrifft Beitragserhöhungen, bei denen der Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen eine Abweichung über dem tariflich festgelegten Prozentsatz von 5 % ergeben hat, der gesetzliche Schwellenwert von 10 % aber nicht überschritten wird.

Der Kl. wendet sich gegen mehrere Beitragserhöhungen seines privaten Krankenversicherers, die er für unwirksam hält, und klagt daher u.a. auf Rückzahlung der auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteile.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht (OLG Köln, VersR 2021, 95) hat dies zum Teil abgeändert und die Bekl. u.a. zur teilweisen Rückzahlung der Prämienanteile verurteilt. Dabei hat es angenommen, dass mehrere Prämienerhöhungen wegen einer unzureichenden Begründung in den Mitteilungsschreiben zunächst nicht wirksam geworden seien. Weitere Prämienanpassungen hat es dagegen für endgültig unwirksam gehalten, da die Beitragsanpassungsklausel in § 8b Abs. 1 und 2 MBKK unwirksam sei. Soweit die Klage Erfolg hatte, richtet sich dagegen die Revision der Bekl.

Der BGH hat hinsichtlich der Prämienanpassungen, die das Berufungsgericht für materiell unwirksam gehalten hat, das Berufungsurteil nicht bestätigt. Für diese Erhöhungen besteht eine wirksame Prämienanpassungsklausel in § 8b Abs. 1 MBKK in Verbindung mit den Tarifbedingungen des Versicherers.

Zwar ist § 8b Abs. 2 MBKK unwirksam. Diese Regelung weicht entgegen § 208 S. 1 VVG zum Nachteil des VN von § 203 Abs. 2 S. 1 VVG ab. Während nach der gesetzlichen Vorschrift eine Prämienanpassung zwingend voraussetzt, dass die Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage nicht nur als vorübergehend anzusehen ist, sieht § 8b Abs. 2 MBKK vor, dass der Versicherer bei einer nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung von der Prämienanpassung absehen „kann“, d.h. auch in diesem Fall ist sie nicht ausgeschlossen.

Die Unwirksamkeit von § 8b Abs. 2 MBKK hat aber nicht zur Folge, dass auch § 8b Abs. 1 MBKK unwirksam und die darauf bezugnehmende Regelung in den Tarifbedingungen des Versicherers nicht mehr anwendbar wäre. § 8b Abs. 1 MBKK weicht nicht zum Nachteil des VN von den gesetzlichen Vorschriften über die Prämienanpassung ab. Die Klausel enthält dieselben Voraussetzungen wie § 203 Abs. 2 VVG und erlaubt eine Prämienanpassung insbesondere nur bei einer Veränderung der Rechnungsgrundlagen, die nicht nur als vorübergehend anzusehen ist. Mit der Regelung des § 8b Abs. 1 MBKK in Verbindung mit den Tarifbedingungen macht der Versicherer allein von der ihm in § 155 Abs. 3 S. 2 VAG eröffneten Möglichkeit Gebrauch, den Schwellenwert für die Prüfung einer Beitragsanpassung von 10 % auf 5 % abzusenken.

Der Bestand der Regelung in § 8b Abs. 1 MBKK wird auch durch die Streichung von § 8b Abs. 2 MBKK nicht beeinträchtigt, da der Sinn der verbleibenden Regelung weiterhin aus sich heraus verständlich ist.

Die Revision hatte zum Teil Erfolg und führte zu einer teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils. Hinsichtlich mehrerer Nebenforderungen ist das klageabweisende Urteil des LG wiederhergestellt worden. Soweit das Berufungsgericht zu Unrecht von einer materiellen Unwirksamkeit der Prämienanpassungen ausgegangen ist und deren formelle Wirksamkeit noch nicht geprüft hat, hat der BGH die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit es diese Prüfung nachholen kann.

BGH, Urt. v. 22.6.2022 – IV ZR 253/20

(Pressemitteilung des BGH Nr. 95 vom 22.6.2022)